Bildhauer Wander Bertoni 94-jährig gestorben
Von Thomas Trenkler
Im Mai dieses Jahres stand Wander Bertoni noch einmal Zentrum des Wiener Kunstgeschehens - mit zwei Galerie-Ausstellungen und der Aufnahme der Skulptur „Das Rhythmische B“ in die Sammlung der Albertina.
Laut Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder ist Bertoni „einer der großen österreichischen Bildhauer, der schon in den frühen 1950ern den Schritt vom Figürlichen zur Abstraktion und später zum Symbolischen schaffte.“ Mit der Aufnahme des „Rhythmischen B“ in die Albertina und deren Platzierung im Kontext bedeutender Vertreter der klassischen Moderne wie Max Ernst, René Magritte, Fernand Léger und Robert Delaunay habe, so Klaus Albrecht Schröder, „nun auch Wander Bertoni einen Platz unter den Größen der Kunst bekommen.“
Das Lebenswerk des Bildhauers zeichnet sich durch beeindruckenden Umfang aus. Es erstreckt sich von Auftragsarbeiten für öffentliche und sakrale Räume über zahlreiche Werkgruppen und Zyklen wie „Metamorphosen der Säule“, das „Imaginäre Alphabet“, „Der Spiegel“ und das „Indische Tagebuch“ bis zu aufwendigen Gedenksteinen. Häufig spielten für Bertonis Kunst Reisen und die dabei gewonnenen Eindrücke eine bedeutende Rolle.
Wander Bertoni, am 11. Oktober 1925 in Codisotto, Reggio Emilia, in eine antifaschistische und musische Familie geboren, erlernte zunächst das Handwerk des Eisendrehers. 1943 wurde er aufgrund seiner pazifistischen Einstellung als Zwangsarbeiter von Italien nach Wien verschleppt. Dort fand er mit Unterstützung der Bildhauerin Maria Biljan-Bilger und des italienischen Malers Vilmo Gibello zur Kunst. Zwischen 1946 und 1952 studierte der junge Künstler bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste. 1947 war er Gründungsmitglied des Wiener Art-Club. Seinen Lebensunterhalt verdiente er in den Nachkriegsjahren mit der Restaurierung bombengeschädigter Denkmäler, darunter etwa die Pestsäule am Wiener Graben, der Vermählungsbrunnen auf dem Hohen Markt oder der Bacchus-Zug im Wiener Burgtheater. Bertonis vielfältiges skulpturales Werk begann um 1945 mit der „Kämmenden“ (1945) und der „Sitzenden Figur“ (1946). In weiterer Folge schuf der musikbegeisterte Künstler eine Serie figurativer Plastiken, die das entsprechende Musikinstrument, meist ein Saiteninstrument, akzentuieren.
Dann wandte sich Bertoni zunehmend einer ungegenständlichen Formensprache zu. Abstrakte Großplastiken wie „Die Bewegung“ oder „Ikarus“ entstanden in dieser Periode. 1951 hatte Bertoni seine erste Personalausstellung in der Wiener Secession und 1965 erfolgte die Berufung an die Hochschule für angewandte Kunst; die Leitung der Meisterklasse für Bildhauerei hatte der vierfache Biennale-Venedig-Teilnehmer bis zu seiner Emeritierung 1994 inne.
1956 erwarb er die sogenannte „Gritsch-Mühle“ im nordburgenländischen Winden am See. Im Laufe der Jahre renovierte er das historische Bauwerk und schaffte einen atmosphärisch einzigartigen Wohn-, Arbeits- und Kunstort. Im „Freilichtmuseum Wander Bertoni“ sind zahlreiche Großplastiken des Künstlers auf freiem Gelände ausgestellt. Zusätzlich bietet das Areal Platz für den von Architekt Johannes Spalt geplanten „Ausstellungspavillon“, die „Galerie“ und das vom Architekturbüro gaupenraub geplante „Eiermuseum“.