Kultur

Bevor der dicke Murakami kommt

In Japan ist der Roman heuer im Februar erschienen, die Übersetzer haben soeben erst das Original bekommen: "Killing Commendatore" ist ein Zweiteiler mit je 500 Seiten, und die deutschsprachige Ausgabe wird sich heuer wohl nicht ausgehen.

Ein Maler zieht sich nach der Scheidung in die Berge zurück, und dann wird es "sehr seltsam" – sagt Haruki Murakami. Wenn ER das sagt, ist mindestens mit bösen Minimenschen zu rechnen, die aus dem Maul einer toten Ziege klettern ...

Zur Überbrückung gibt es aktuell auf Deutsch eine Kurzgeschichte von ihm, "Birthday Girl". Neu ist sie nicht, sondern aus 2002, aber durch die Illustrationen von Kat Menschik sieht alles frischer, bunter aus.

(Das war bei den kleinen Büchern "Schlaf" und "Die unheimliche Bibliothek" und "Die Bäckereiüberfälle" nicht anders: Die Berlinerin vergrößert sozusagen.)

20. Geburtstag

"Birthday Girl" ist so gut, weil so gut wie nichts geschieht und man trotzdem viel Nahrung hat. An der Grenze zum Surrealen bewegt sich die Geschichte einer Kellnerin, die Geburtstag hat, den zwanzigsten.

Ihr geheimnisvoller, nur Hühnerfleisch essender alter Chef verkündet, er werde ihr ein Geschenk machen, sie habe einen Wunsch frei, er könne alles bewerkstelligen.

Sie denkt vermutlich, der Kerl spinnt, er sieht ja nicht wie eine Fee aus, aber gut, sie wünscht sich etwas. Der Mann wundert sich, dass sie nicht reich oder intelligenter werden will ... aber bitte sehr, wenn sie’s so haben will.

Und wir werden nie erfahren, was sie sich gewünscht hat.

Nur: Jahre später, wenn diese Frau verheiratet ist und Kinder hat, wird sie sagen: Sie weiß noch nicht, ob sich ihr Wunsch erfüllt. Das dauere ein Leben lang.

Man überlegt und überlegt, ob vielleicht ihr Wunsch war: dass sie nie im Leben in die Lage kommt, sich etwas wünschen zu müssen; und man freut sich, wenn der japanische Nobelpreis-Kandidat ohne viel Firlefanz und Nebelgranaten etwas zusammenbringt, das kribbelt.

Haruki Murakami:
„Birthday Girl“
Übersetzt von Ursula Gräfe.
Illustriert von Kat Menschik.
DuMont Verlag.
80 Seiten. 16,50 Euro.

KURIER-Wertung: ****