Kultur

Belvedere-Vorwurf: "Skandalöses" Vorgehen Hussleins

Zwischen großer Freude und großem Ärger schwankte heute das neue Leitungsduo des Belvedere bei seiner ersten Jahrespressekonferenz. „Wir sind sehr froh und sehr stolz, weil das Jahr 2017 wieder als ein Rekordjahr in die Annalen eingehen wird“, sagte Generaldirektorin Stella Rollig. „Wir finden hier einen Zustand vor, der skandalös ist“, zürnte der Wirtschaftliche Geschäftsführer Wolfgang Bergmann.

„Wir haben in den vergangenen Monaten laufend neue Mängel entdeckt“, sagte Rollig. Bergmann richtete zahlreiche Vorwürfe an die ehemalige Belvedere-Chefin Agnes Husslein-Arco, von der man „ein schweres Erbe“ übernommen habe. Die jüngste Entdeckung von Missständen betreffe die auf dem denkmalgeschützten Dachboden des Belvedere befindlichen Kälteanlagen, die ein neu ans Haus geholter Klimaspezialist vor wenigen Tagen in Augenschein genommen und danach „mit bleichem Gesicht“ Bericht erstattet habe: Die Anlagen entsprächen „in keiner Weise“ den Anforderungen eines Brandschutzes, aufgefundene externe Prüfgutachten bis zurück auf 2013 hätten bereits davor gewarnt, ohne, dass dies Konsequenzen nach sich gezogen habe. Man habe die betreffenden Anlagen nun sofort und kontrolliert heruntergefahren und behelfe sich seither provisorisch.

„Bei weiterer Recherche ist das Bild noch schrecklicher geworden: Diese Anlagen verfügen über keine gültige Baugenehmigungen“, so Bergmann, der berichtete, dass Mitarbeiter in mehreren Fällen von der früheren Geschäftsführung angewiesen worden seien, fehlende behördliche Genehmigungen bewusst zu ignorieren. „Das ist ein fahrlässiger Umfang mit Weltkulturerbe. Es geht hier um Milliardenwerte. Wir finden hier einen Zustand vor, der skandalös ist. Ich bin voll der Sorge, was wir noch weiter finden werden.“

Die in den vergangenen Tagen publik gewordenen Fälle von Regressforderungen an die frühere Direktorin seien „eine Lächerlichkeit im Vergleich zu dem, was wir hier an fahrlässiger Führung eines Hauses vorgefunden haben. Mehr als uns lieb ist, sind wir damit zusätzlich zu unserem Tagesgeschäft beschäftigt.“ So seien etwa Brandschutztüren ausgebaut worden, „weil man aus ästhetischen Gründen was anderes haben wollte“. Das im Unteren Belvedere geplante Cafe (die Causa ist Teil der Regressforderungen) sei bewusst ohne Betriebsstättengenehmigung betrieben worden. „Da ist der Stempel 'Vorsätzlichkeit und grobe Fahrlässigkeit' drauf. Es ist ein Grundmuster, dass gesetzliche Vorschriften in den Wind geschlagen wurden.“

Ein anderer Fall der kürzlich bekannt gewordenen Regressforderungen gegenüber Husslein-Arco betrifft ein bestelltes, aber nicht geliefertes Kunstwerk, für das 100.000 Euro gezahlt wurden. Es sei „sehr unüblich, dass man ein Kunstwerk bezahlt, bevor es geliefert wurde“, sagte Rollig. Laut „Kurier“ handelt es sich um eine Arbeit von Friederike Pezold, was Bergmann nicht offiziell bestätigen wollte. „Die Künstlerin hat uns mitteilt, dass das Werk beschädigt ist und hat nicht geliefert“, so Bergmann. Man versuche nun im Klagsweg das Geld von der Künstlerin zurückzufordern, erst im Nichteinbringungsfall werde man sich an Husslein-Arco wenden. „Wir haben es vorsorglich zu den Regressforderungen angemeldet“, gab Bergmann zu. Schlagend sei jedenfalls nicht, wann die Überweisung erfolgt sei (nämlich im Jänner, als Husslein-Arco nicht mehr verantwortlich war), sondern wann die Freigabe des Geldes erfolgt sei (nämlich im Dezember, als sie noch im Amt war). Eine Verantwortung des interimistischen Geschäftsführers Dieter Bogner „gibt es nicht“.

Die wirtschaftliche Bilanz des Museums ist dagegen äußerst positiv: 1,43 Millionen Besuche werden 2017 voraussichtlich gezählt werden können (2016: 1,329 Mio.), die Ticketerlöse haben Anfang Dezember erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Grenze überstiegen und werden zu Jahresende voraussichtlich über elf Millionen Euro betragen. Man profitiere dabei von der allgemeinen positiven Tourismusentwicklung Wiens, von der Ausweitung der Öffnungszeiten, der Erhöhung der Ticketpreise und einem höheren Anteil zahlender Besucher, sagte Bergmann. Der Eigendeckungsgrad werde voraussichtlich erstmals über 60 Prozent liegen. Nachdem man auf der Kostenseite vermutlich unter dem Vorjahr liegen werde, könnten Deckungsvorsorgen für die dringend nötigen Investitionen in die Infrastruktur gemacht werden.

Husslein: Gebäudemanagement verantwortlich

Die heute von ihren Nachfolgern in der Belvedere-Geschäftsführung heftig angegriffene frühere Direktorin Agnes Husslein-Arco weist die Vorwürfe hinsichtlich fahrlässiger Vorgangsweise bei der Klimatisierung des Oberen Belvedere zurück.

Gegenüber der APA betont die Ex-Museumschefin, „dass diese Agenden ganz klar in den Bereich des Gebäudemanagements fielen, das der kaufmännischen Leitung unterstellt war. Ich habe mich stets voll und ganz auf das wirtschaftliche Fachwissen und die Kompetenz der kaufmännischen Leitung verlassen und bin stets davon ausgegangen, dass diese ihre Agenden gewissenhaft abwickelt.“

Eine Auseinandersetzung zwischen Husslein-Arco und der Belvedere-Prokuristin Ulrike Gruber-Mikulcik, die sich im Vorjahr für den neu geschaffenen Posten der kaufmännischen Leitung beworben hatte, war im Sommer 2016 eskaliert. Aufgrund von Vorwürfen wegen Verstößen gegen Compliance-Richtlinien war Hussleins Vertrag schließlich nicht verlängert worden. Husslein-Arco wurde in der Folge im Februar dieses Jahres vom Finanzministerium in den Vorstand der Leopold Museum-Privatstiftung berufen und war von der ÖVP bei den Koalitionsverhandlungen als externe Expertin in der Fachgruppe Kunst & Kultur beigezogen worden.