Kultur

Bei Stephen King verblasst Trump

Steht ein Strafverteidiger in der Früh auf. Sagt seine Frau, bevor sie Rühreier zubereitet: „Na, was läuft so, mein Schnuffel?“
Ganz schön viel läuft. „Der Outsider“ ist der 60. Roman von Stephen King, insgesamt sein 204. Buch. Ein typischer Horror des  70-jährigen Amerikaners – also nicht so wie sein 59. Roman „Sleeping Beauties“, den er mit Sohn Owen geschrieben hatte und der im KURIER unter  dem Titel „Bei Stephen King schlafen die Frauen ein“ besprochen wurde.
Schnuffel wird, bevor er sich leider verabschieden muss, eine Menge zu tun haben. Denn ein elfjähriger Bub ist vergewaltigt und ermordet worden. Totgebissen wurde er.
Während eines Baseballspiels wird der allseits beliebte Coach und Lehrer Terry Maitland –  Schnuffels Freund –  verhaftet. Eine Show für die Bürger von Flint City, denn die Polizei ist sicher, dass er die Bestie ist.
Überall sind seine Fingerabdrücke, überall ist seine DNA, und es gibt Augenzeugen, die ihn mit blutverschmiertem Gewand gesehen haben.
Also hieb- und stichfest wie das S auf Supermans Brust.
Allerdings war Maitland weit weg, als das Kind ermordet wurde. Er war mit drei Lehrerkollegen nachweislich in einer anderen Stadt, weil dort ein berühmter Krimiautor eine Lesung gehalten hatte. Fernsehkameras haben ihn gefilmt, als er dem Autor eine Frage stellte.
Hieb- und stichfest wie ...


Oklahoma

Anfang der Woche erschien „Der Outsider“ in deutscher Übersetzung. Der Heyne Verlag wirbt mit dem Satz: „Das Böse hat viele Gesichter ... vielleicht sogar deines.“
Eine zehnteilige TV-Serie ist in Planung.
Es ist ein guter King-Roman – in dem sein bester RomanEs“ anklingt. Die Zeit, in der dieser Schriftsteller Durchhänger hatte, ist längst vorbei, man darf Stephen King sogar loben, obwohl man eigentlich ja nur etwas G’scheites liest bzw. zu lesen vorgibt.
Bevor es übersinnlich wird (und ein Typ wie El Cuco, ähnlich dem Bogeyman, bemüht wird), blenden wir uns aus dem Schocker aus. Der Auftritt von einem Monster macht Bücher ja nicht unbedingt besser – man denke an Stephen Kings meisterlich alltägliche Kurzgeschichte, in der bloß jemand in ein mobiles WC geht. Dann wackelt das Ding. Dann  fällt es um. Dann ist man begraben.
Donald Trump kommt in „Der Outsider“ selbstverständlich vor. King kann ohne ihn nicht. Kürzlich twitterte er, die Weltraumarmee sei die dümmste  Idee des Präsidenten. Zehntausende Follower stimmten sofort zu.
Den Mord an dem Kind lässt er in Oklahoma geschehen, wo weit über 60 Prozent der Wähler für Trump stimmten.  Auf einer Mauer steht zwar noch: „Trump Makes America Great Again“.
Aber nun geschieht folgendes, sogar in Oklahoma:
Die Schrift verblasst.

***
Mittlerweile ist bekannt, wo Stephen Kings Horror seinen Ursprung hat:
 In jungen Jahren  jobbte er in einer Wäscherei. Zu reinigen, zunächst händisch, waren von ihm Stoffwindeln, Bettzeug mit allen möglichen Flecken, Tischtücher mit Erbrochenem ...  Einmal schepperte es in der Trommel. Es war ein Gebiss. Da bekommt jeder Fantasien.

 

Stephen King: „Der Outsider“
Übersetzt von
Bernhard
Kleinschmidt.
Heyne Verlag.
751 Seiten. 26,80 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Die Besten: Der Clown ist immer vorn

Unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den Lesern, welchen seiner Romane man haben muss und welchen man meiden soll, gibt es nicht.
Auf der Bestenliste steht „Das Mädchen“ (2000) ganz unten: Eine Neunjährige, deren Eltern vor der Scheidung stehen,  verirrt sich im Wald, Wespen zerstechen sie, ein „Ding“ verfolgt sie.
Oben auf der Liste stehen immer: „Es“ (1990). Der Horror, der meist mit Clownmaske in Erscheinung tritt.
Sowie „The Stand“ (1978) – im Original 1227 Seiten lang. Die Geschichte von mutierten und tödlichen Grippeviren, Ansteckungsgefahr 99,4 Prozent.
Stephen King hält „Love“ (2006) für sein bestes Buch: Erinnerungen an die Liebe, kombiniert mit einem gewaltbereiten Fan, kombiniert mit eine anderen Welt, wo ein riesiges Wesen so anständig ist und nicht jeden frisst.