Kultur

Bachmann-Preis geht an Tanja Maljartschuk

Tanja Maljartschuk ist Sonntagvormittag im ORF-Theater Klagenfurt mit dem 42. Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet worden. Die in Wien lebende Ukrainerin siegte im Stechen bei der öffentlichen Jury-Abstimmung gegen Bov Bjerg und Raphaela Edelbauer.

Nach dem mit 25.000 Euro dotierten und nach der in Klagenfurt geborenen Autorin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannten Hauptpreis, der im Vorjahr an den Steirer Ferdinand Schmalz gegangen war, wurden weitere Jury-Preise vergeben. Der Deutsche Bov Bjerg wurde mit dem mit 12.500 Euro dotierten Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet. Der Kelag-Preis (10.000 Euro) ging nach einigen Stichwahlen gegen Joshua Groß und Anna Stern an Özlem Özgül Dündar. Anna Stern gewann nach weiteren Stechen den 3sat-Preis (7.500 Euro).

Den per Internet-Voting ermittelten BKS-Bank-Publikumspreis in der Höhe von 7.000 Euro und das damit verbundene und mit 5.000 Euro dotierte Klagenfurter Stadtschreiberstipendium gewann die Wienerin Raphaela Edelbauer.

Meilenstein für Maljartschuk

"Meine Biografie ist sehr langweilig", meinte Tanja Maljartschuk noch vor wenigen Wochen. Das war schon damals nicht wahr und ist es künftig noch weniger. Seit heute darf sich die 35-Jährige in Wien lebende Ukrainerin, die erst seit 2014 auch auf Deutsch schreibt, Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin nennen. Ein Meilenstein jeder Autorinnen-Biografie.

"Biografie eines zufälligen Wunders", hieß der 2013 im Residenz Verlag auf Deutsch erschienene Roman, mit dem Maljartschuk hierzulande erstmals bekannt wurde. "Es ist ein Wunder", kommentierte sie heute ganz "geschockt" ihren Preis. Ich verstehe nicht und weiß nicht, warum mich diese Welt so liebt."

 

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1983 in Iwano-Frankiwsk geboren, studierte sie Ukrainische Philologie an der Prykarpattia National Universität und arbeitete danach in Kiew u.a. als Investigativ-Journalistin für das Fernsehen. "Damals musste ich vor allem mit irgendwelchen Arschlöchern und Verbrechern reden. Manchmal war das richtig gefährlich", erinnert sie sich. Bei einer Reportage über illegalen Kohleabbau in Donezk etwa sei sie mit einer Kugelschreiber-Kamera für ihren Kameramann eingesprungen, der gekniffen habe. "Da hatte ich wirklich weiche Knie."

2011 kam sie nach Österreich - der Liebe wegen: "Mein Mann ist Österreicher", sagt Tanja Maljartschuk. "Erst in Österreich habe ich angefangen, Romane zu schreiben. Erst in Österreich habe ich verstanden, dass ich Schriftstellerin bin. Hier ist der Status von Literatur ein anderer." Sieben Bücher hat sie auf Ukrainisch geschrieben. "Dennoch wäre ich nicht sicher, ob ich heute in der Ukraine vom Schreiben leben könnte."

Erst seit wenigen Jahren verfasst sie auch in deutscher Sprache literarische Texte. "Auf Deutsch zu schreiben ist ein Verlust von Anfang an", hadert sie mit ihren mangelnden Deutschkenntnissen. "Die Regeln kann man lernen - obwohl ich noch immer schon und schön verwechsle. Aber es geht darum, dass ich mit dieser Sprache nicht spielen kann. Die kleinen Unterschiede machen den großen Unterschied. Dennoch war es mir ein Bedürfnis, diese Sprache auch literarisch für mich zu entdecken."

Hilfsarbeiter und demente Frau

Das ist ihr in den Augen der Bachmann-Preis-Jury mit ihrem extra für Klagenfurt geschriebenen Text "Frösche im Meer" auch herausragend gelungen. Im Text geht es um den Migranten und Hilfsarbeiter Petro, der sich mit einer dementen alten Frau anfreundet, die er im "Froschpark" einmal kennengelernt hat und eines Tages vermisst. Er sucht sie auf, kümmert sich um sie und wird von Frau Grill für ihren Ehemann gehalten. Sein letzter Besuch verläuft allerdings ganz anders als erwartet, als schließlich die Polizei auftaucht. Petro hat jedoch keine Papiere. Das Ende bleibt offen.

"Endlich Literatur", sprach Nora Gomringer der Jury aus der Seele. Ein abgründiger Text sei es, eine Geschichte über zwei Arten von Einsamkeit, "eine Parabel über Randständigkeit und Selbstauslöschung", zeigte man sich begeistert.

Im Frühjahr 2019 wird Tanja Maljartschuks nächstes Buch erscheinen. Es ist eine Übersetzung, denn der Roman "Vergessenheit" (Kiepenheuer & Witsch), 2016 in der Ukraine von BBC zum Buch des Jahres gekürt, hat zwar starke Österreich-Bezüge und ist in Österreich entstanden, wurde aber auf Ukrainisch geschrieben. Nach heute darf es aber wohl als sicher gelten, dass es künftig auch auf Deutsch geschriebene Bücher der Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2018 geben wird. "Das ist eine große Verantwortung", kommentierte sie heute ihre Auszeichnung. "Vielleicht muss ich noch etwas Wichtiges in meinem Leben machen."
 

INFOS: bachmannpreis.ORF.at