Kultur

Ausstellungen: Frischwind für NHM und KHM

Ein klarer Morgen im Wiener Volksgarten: Immer wieder steigen Spaziergänger die Stufen zum Tor des Theseustempels hinauf. Lange war der Bau geschlossen, nun ist in seinem Inneren ein Olivenbaum zu sehen, genauer: ein Abguss eines solchen, angefertigt vom Schweizer Künstler Ugo Rondinone (bis 24.6.) . "Das Werk wäre in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums genauso zu Hause", sagt Jasper Sharp.

Der 1975 in London geborene Sharp ist seit 2011 damit betraut, das KHM für moderne und zeitgenössische Kunst zu öffnen. Der Theseustempel ist sein erstes Ausstellungsstatement; parallel kuratiert Sharp den Österreich-Auftritt bei der Biennale Venedig 2013. - Michael Huber

 

Für die Wiener

"Eine der größten Hoffnungen, die wir bei dem KHM-Programm hegen, ist, die Wiener Öffentlichkeit zurückzugewinnen", sagt Sharp. "Man sagt, ins Kunsthistorische geht man ein Mal, wenn man als Kind von seinem Vater an der Hand genommen wird, und dann erst wieder, wenn man sein eigenes Kind an der Hand nimmt. Wenn Leute diese Haltung überdenken, wäre das ein Erfolg."

Für Sharp gilt es, die Barrieren zu überwinden, die sich durch die Aura historischer Kunstobjekte aufgestaut haben. "Wir können nicht davon ausgehen, dass die Leute verstehen, warum etwas wertvoll und bemerkenswert ist, nur weil die Geschichte und der Bildungskanon uns das sagen", erklärt er. "Ich selbst habe etwa lange gebraucht, bis sich mir das Werk von Rubens erschlossen hat – und ich lebe jeden Tag mit Kunst."

Um dem Museum seine Strenge zu nehmen, will Sharp die KHM-Sammlung durchwirbeln lassen: Der Pop-Künstler Ed Ruscha wird ab 25. September der Erste sein, der eine Ausstellung gestaltet und dabei "alle Regeln bricht": "Das würden wir doch alle gern tun", sagt Sharp. "Wenn wir ein Museum besuchen, gehen wir herum und kaufen dann Postkarten unserer Lieblingswerke. Wir denken nicht an die flämische oder die französische Schule."

 

Im Park

Am Theseustempel schätzt der Kurator nicht zuletzt die Lage im Park: Sie erinnert ihn an seine liebsten Kunst-Orte, etwa die Londoner Serpentine Gallery oder das Louisiana Museum bei Kopenhagen. "Es hat etwas, wenn man eine kleine Strecke zurücklegen muss und seinen Geist klar werden lassen kann, bevor man etwas Schönes, Komplexes oder Schockierendes sieht", sagt Sharp. Beim österreichischen Biennale-Pavillon in Venedig, dessen Programm der Kurator am 20. Juni bekannt geben will, ist so eine kontemplative Stimmung aber Illusion: "Es muss mir ganz klar sein, dass dort jeder nur fünf Minuten Zeit für jeden Pavillon hat", sagt er.

Sharp brauchte selbst lange, bis er den Reiz von Kunst-Tempeln entdeckte. "Meine Eltern nahmen mich zu den tollsten Ausstellungen mit, und ich blieb immer draußen sitzen", erzählt der Sohn eines Künstler-Paares. "Meine Schwester saugte alles auf, ich war nur an Geschichte und Politik interessiert und wollte Diplomat werden." Dass die Familie in direkter Nachbarschaft zum Maler Lucian Freud lebte – ihm widmet Sharp 2013 eine große KHM-Ausstellung – half aber der Kunst-Begeisterung auf die Sprünge. Später ging Sharp für sechs Jahre zur Peggy Guggenheim Foundation nach Venedig. Immer wieder sah er deren Moderne-Sammlung, dazu Venedigs Kirchen, Museen und die Biennale.

Dass ständiges Schauen der beste Schlüssel zur Kunst ist, will Sharp auch im KHM vermitteln: "Vielleicht sehen die Leute, dass man kein Experte für die Geschichte oder alles Aktuelle sein muss", sagt er. "Die Kunst ist ein Gespräch, das schon lange dauert und noch sehr lange andauern wird. Und man kann jederzeit einsteigen."

NHM: Wenn Natur und Kunst aufeinanderprallen

Was machen Affen zwischen Stromkabeln? Was hat ein Elch im Supermarkt zu suchen? Mit zwei Ausstellungen und einem ungewöhnlichen Zugang zum Thema Natur und Kunst macht das Naturhistorische Museum auf sich aufmerksam: "Ein inkompetenter Dialog?" (bis 17. 9.) fragt der Titel einer Schau von Daniel Spoerri . Der kombinierte verspielt, was scheinbar nicht zu vereinbaren ist: Einen Tigerschädel auf das Skelett einer Tigerpython mit fehlendem Kopf. Im Kreis angeordnete Pferdeschädel mit auf die Stirn montierten Narwal­zähnen werden zum "Nabel der Welt".

"Die intakte Natur exi­stiert nicht mehr. Deshalb bedarf es auch einer neuen Tierdarstellung", sagt NHM-Direktor Ernst Mikschi. Die Darstellung des Aufeinandertreffens von Tier und Mensch im urbanen Umfeld interessiert die heimischen Künstler Christoph Streinbrener, Rainer Dempf und Martin Huber : In der Schau "Freeze!" (bis 23. 9.) haben sie für Fotos und Schaukästen – sogenannte Dioramen – Momentaufnahmen von Wildtieren inszeniert. Gezeigt wird auf irritierende Art "die Kollision von Tier und Mensch", so Steinbrener: Affen in dschungelartig verworrenen Stromleitungen von Mumbai. Oder ein Elch, der sich in einem skandinavischen Supermarkt verirrt hat, aus der Perspektive einer Überwachungskamera. – W. Rosenberger

INFO: NHM Do.–Mo. 9–18.30, Mi. 9–21 Uhr

KHM: Vom Geist des Bacchus durchtränkt

D ie größten Momente unserer Kulturgeschichte sind ohne den Wein und seine Trinker nicht denkbar. Schon in der Bibel wird gezecht wie bei den Römern. Mit der Bedeutung des kostbaren Traubensaftes für die Gesellschaft, Kulte und Kulturen beschäftigt sich „Kunst voller Wein“ (bis 2. 9.) im Kunsthistorischen Museum, die vierte Themen-Ausstellung in der „Intermezzo“-Reihe, die ein Mal im Jahr Exponate aus allen Sammlungen des Hauses zeigt.
Weinkultur Neben Gemälden, dem reich mit Edelsteinen geschmückten „Michaelspokal“ und einem eisernen Fangstuhl für Trinkspiele dreht sich beim unerschöpflichen Thema Weingenuss und Weinkultur fast alles um Dionysos oder Bacchus, wie er in der lateinischen Mythologie heißt. Der Gott der Fruchtbarkeit und des Weines ist auf Münzen, Vasen, Statuen, Tapisserien etc. dargestellt. Eine besondere Kostbarkeit ist der „Triumph des Bacchus“ (1602): Der Automat konnte durch ein Triebwerk im Inneren über den Tisch fahren, während sich die Figuren bewegten und Musik erklang. Das mechanisch bewegte Fahrzeug diente wohl auch für Trinkspiele, konnte man doch den Kopf des Ziegenbockes abnehmen und als Becher verwenden. – Werner Rosenberger


INFO: Bis 2. 9., von Juni bis August tgl., danach Di. bis So. 10 bis 18, Do. 10–21 Uhr

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