Kultur

Auf der Suche nach Eigenständigkeit

Wer Montagabend im Wiener Gasometer die Vorgruppe schwänzte und erst zum Haupt-Act The 1975 kam, musste über Haufen von Pölstern, wärmenden Rettungs-decken, Essensresten und sogar Zahnpastatuben und Zahnbürsten steigen. Die zu 90 Prozent weiblichen Fans der Band aus Manchester hatten seit dem Vormittag dort campiert, um abends vorne stehen und Frontmann Matthew Healy ganz nahe sein zu können.

Zugegeben, der ist schon ein Schnuckelchen, rein optisch diesen Aufwand wert. Aber von der energetischen Performance und dem mitreißenden musikalischen Erlebnis, das die Band aus Manchester laut Kritikern auf der US-Tour geboten hatte, blieb in Wien nicht viel übrig.

Healy und seine Band wirkten zwar nie unbeteiligt, aber müde und kraftlos. Weil sich zusätzlich der Sound an viele Vorbilder anlehnt, aber wenig Eigenständiges bietet, war das Konzert über weite Strecken langweilig.

Anfangs noch konnten The 1975 mit "UGH!" und "Love Me" auf den Spuren von Prince und INXS gut Stimmung machen. Doch dann schoben sie psychedelische, elektronische Balladen wie "Me" und "Fallingforyou" dazwischen. Plötzlich konnte man glauben, bei den Hurts zu sein.

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Die ganze Show lang pendeln The 1975 zwischen Funk-Pop und epischen, auf anspruchsvoll getrimmten Elektronik-Stücken. Zwischen dem hedonistischen Selbstausdruck ihres zweiten Albums und den radio-freundlichen Hits des Debüts.

Beides machen sie nicht wirklich schlecht. Sie spielen ihre Instrumente, ohne sich hinter Einspielungen verstecken zu müssen, haben einen Saxofonisten und eine ansprechende Show dabei: Denn LED-Wand und -Türme leuchten zumeist einfärbig, bieten atmosphärische Eleganz, bei der die Farben Pink, Lila und Himmelblau das einzige Zugeständnis an das junge Publikum bleiben.

Alles in allem aber hatte man im Gasometer das Gefühl, The 1975 sind noch auf der Suche nach ihrem eigenen Stil. Und in Wien nicht wirklich mit vitalem Einsatz.