Kultur

Auch Spekulanten können Kunst lieben

Selten ist die Kunst so verlogen wie dann, wenn es um ihre Beziehung zum Geld geht: Das weiß jeder, der sich auf einer Kunstmesse schon einmal eine kapitalismuskritische Installation erklären ließ oder auf der ach so kritischen aktuellen Venedig-Biennale die – natürlich käuflichen – Gemälde eines Georg Baselitz bestaunte.

Das Programm „curated by“, bei dem 20 Wiener Galerien externe Kuratoren zur Gestaltung von Ausstellungen einladen, versteckt seine Absicht zur Umsatz- und Standortförderung nicht: 3000 Euro Kuratorenhonorar und 6000 Euro Produktionsbudget werden pro Ausstellung von der Wirtschaftsagentur Wien bezahlt. Dennoch, oder gerade deshalb, widmet sich die heurige siebte Auflage des Programms dem Thema „Kunst und Kapital“ – und Lamentieren ist dabei dezidiert unerwünscht.

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Der als Impulsgeber engagierte Philosoph Armen Avanessian stellt vielmehr die Frage in den Raum, „ob und inwiefern uns künstlerische Imaginationen und poetische Praktiken helfen können, den Eintritt in eine postkapitalistische Gesellschaft zu beschleunigen“: Das Aufzeigen alternativer Kunst-Ökonomien ist also einer jener roter Fäden, die von den Ausstellungsgestaltern unterschiedlich aufgenommen werden.

Für Joe Scanlan, der für die Galerie Martin Janda eine Schau kuratierte, sind Liebe und Sorgfalt Gegenstrategien zur Ökonomisierung: Er zeigt etwa sensible Stoff-Collagen von Geta Brătescu oder Doug Ashfords geometrische Bilder, gemalt auf Zeitungsseiten mit Berichten über den 11. September 2001. Dass auch diese Arbeiten käuflich sind (4000 bzw. 4950 €), ist für den Kurator kein Widerspruch. Auch Spekulanten können Kunst aufrichtig lieben‚ sagt er.

Nicht nur Dollarzeichen

Wie eine Schau der Kuratorin Katerina Gregos bei Mario Mauroner Contemporary vorführt, hat sich auch die Ästhetik des Geldes gewandelt. Von Fotos von Gold-Speichern spannt sich hier der Bogen hin zu einer Reihe von Kilt-Stoffen, deren Karo-Farben analog zur Dominanz einzelner Finanzinstitute ausgewählt wurden. Die Immaterialität des ökonomischen Austauschs in der heutigen Welt wird von der Kunst hier erst angekratzt.

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Schlau wie zynisch thematisiert der Niederländer Renzo Martens in der Galerie nächst St. Stephan die Kunst-Ökonomie: Martens ermutigte Plantagenarbeiter im Kongo dazu, „Künstler“ zu werden. Er goss Skulpturen der Arbeiter in Schokolade aus genau jenem Kakao, den diese – zu unfairen Bedingungen – produzierten. Nun verdienen die Plantagenarbeiter an der Kunst, doch die damit geschaffenen Ungleichheiten lassen die „missionarische“ Arbeit in schrägem Licht erscheinen.

Es gibt keinen leichten Weg aus dem Gewirr aus Selbstgerechtigkeit, Bereicherung und Schein-Kritik, das das Kunstsystem wie einen Fleck auf der Weste trägt. Doch „curated by“ bietet immerhin Ansätze zur Reflexion – und bestärkt letztendlich das Vertrauen in die Kunst als Resonanzraum für gesellschaftliche Fragen.


Rahmenprogramm und Führungen

"Curated By " läuft bis 17.10. Ein Symposium am Freitag, den 11.9., erläutert das Konzept und aktuelle Fragen von Kunst & Kapital (15 – 20 Uhr, MAK). Es werden geführte Touren angeboten, Termine auf www.curatedby.at. Der Blog www.viennagalleries.at begleitet das Projekt.