Auch ein Kaiser ist am Ende einsam
Von Peter Pisa
Die kleinen Helden von John Williams, der vor 22 Jahren in Arkansas starb, aber erst seit vier, fünf Jahren weltweit gefeiert wird, stehen mutterseelenallein da, und wenn sie zurückschauen:
Das war nicht so toll.
Und wenn sie nach vorn schauen:
Da kommt nichts Tolles mehr.
So war das in "Stoner" (1965) mit dem langsamen Sterben eines großen Herzens: Über den unscheinbaren und so leidenschaftlich gewesenen Universitätsprofessor für Englisch- und Literatur Richard Stoner heißt es:
"Manchmal fürchtete er, nur noch vor sich hin zu vegetieren und er sehnte sich nach etwas, das ihn durchbohrte, sei es auch Schmerz, damit er sich endlich wieder lebendig fühlte."
Und im Western "Butcher’s Crossing" (1960) scheitert der Harvard-Student William Andrews: Er wollte die Harmonie mit der Natur spüren ... und jagte und häutete in den Rocky Mountains Büffel. Fast wäre er dabei erfroren.
Und wofür?
Für eine Lüge.
Für harte Haut an den Händen.
Angesichts "Augustus" (1972), dem letzten vollendeten Roman, fragt man sich, wie denn Roms erfolgreicher erster Kaiser in diese Reihe passt. US-Journalist Daniel Mendelsohn, ein Kenner von Williams’ Werken, erspart uns durch sein Nachwort das Nachdenken: Augustus’ Leben ist nicht unvergleichlich, auch wenn Caesars Adoptivsohn das Imperium gegründet hat. Macht und Ohnmacht gibt es überall, die Spielchen sind an der Uni, im Wilden Westen, in Rom ... dieselben. Und egal wo: "Ein Held ist jemand, der er selbst sein will."
Am Ende ist Augustus einsam wie jeder. Und am Ende wird ihm bewusst, was er alles nicht bzw. was er falsch gemacht hat.
Aber am Ende begreift er (begreift Stoner, begreift Andrews, hat John Williams längst begriffen), dass er niemand sonst sein kann "als dieses arme Geschöpf, das er nun mal ist."
Briefroman
"Augustus" ist ein historische Roman, aber keineswegs ein Schinken. Fein herausgearbeitet wird die literarische Wahrheit, nicht die historische. Die Form eines Briefromans wurde gewählt.
Er beginnt mit Caesars Tod und reicht bis zum Tod Augustus’. Viele Stimmen sind zu hören – von Ehefrau Livia,von Seneca, von Cicero –, um die vielen Schichten im Charakter freizulegen. Erst im dritten und letzten Teil kommt Augustus selbst ausführlich zu Wort:
"Ich habe alle meine Ärzte überlebt ..."
Gibt es also doch einen Unterschied zu unsereins.
John Williams:
„Augustus“
Übersetzt von Bernhard Robben.
dtv.
480 Seiten. 24,70 Euro.
KURIER-Wertung: *****