Art Basel Miami: 120.000 -Dollar-Banane stiehlt die Show
Von Michael Huber
Und jetzt bitte alle im Chor: "WA - RUM - IST - DAS - KUNST?"
Die Kunstmesse Art Basel Miami Beach, die nach ihren notorisch promi-lastigen Eröffnungstagen von heute, Freitag, bis zum Sonntag, den 8.12. für normalsterbliches Publikum offen steht, hat ihr mediales Skandalobjekt. Es ist eine Banane, die der italienische Kunst-Provokateur Maurizio Cattelan am Stand seiner Galerie Emmanuel Perrotin mit grauem Gewebeband an die Wand geklebt hat. Das Kunstwerk hat eine Auflage von drei Stück, die um je 120.000 US-$ angeboten werden. Zwei Stück waren laut Medienberichten am Freitag schon verkauft.
Cattelan - er gab der Welt unter anderem die Skulptur des von einem Meteoriten erschlagenen Papst Johannes Paul II. und eine aus Massivgold gefertigte Toilette mit dem Titel "America" - hat damit einmal mehr den Provokationsknopf gedrückt, der alle sattsam bekannten Vorurteile gegenüber der Kunstwelt ins Rollen bringt: Sie sei abgehoben, handle wertloses Zeug zu obszönen Preisen, versinnbildliche die Spaltung der Gesellschaft.
Tatsächlich wirkt die Geste auch aus der Sicht eines Kunstkritikers routiniert, abgeschmackt und billig. Zugleich aber ist es verwunderlich und vielleicht auch bewundernswert, dass eine Kontextverschiebung, die in mehr als hundert Jahren in allen erdenklichen Varianten durchgespielt wurde, noch immer zu verstören vermag. Mit dem Transfer von offensichtlich wertlosem und nicht dauerhaftem Material in das quasi sakrale System der Kunst - seit Marchel Duchamps "Readymades" in den frühen 1910er Jahren eine Standardpraxis - wird doch immer wieder neu der Blick auf das Alltägliche geschärft und die Frage, wie und warum wir Dingen Wert zuschreiben, neu gestellt. Zur Kunst erklärt, ist ein Objekt nur mehr Symbol.
Macht an der Wand
Im Fall von Cattelans Banane hilft es vielleicht zu wissen, dass der Künstler bereits 1999 seinen Galeristen Massimo de Carlo ebenfalls mit Bändern an die Wand klebte. Die Banane - sie heißt als Kunstwerk "Comedian", also Spaßmacher - ließe sich also als Porträt verstehen. Oder auch als Symbol der Potenz, die nicht nur dem Kunsthändler, sondern auch der als Aktie gehandelten Kunst eigen ist. Die Art Basel Miami Beach ist ein Marktplatz für jene so genannten "Blue Chip"-Objekte, mit denen Käufer ihre finanzielle Potenz zeigen. Werke von Andy Warhol - der Bananen nicht zuletzt durch sein Plattencover für The Velvet Underground zu einem populären Motiv machte - zählen da dazu.
Cattelan ist jedenfalls nicht der einzige Künstler, der bisher auf die Idee kam, Obst und Gemüse als Kunst an die Wand zu affichieren. Die deutsche Künstlerin Karin Sander macht es etwa seit 2012. Ihre "Kitchen Pieces" ("Küchenstücke"), die man auch als Fortführung des Stillebens und des Realismus mit anderen Mitteln sehen kann, wollen vor allem eines: Dass wir innehalten und uns selbst kurz infrage stellen, bevor wir im Chor loswettern.