Kultur

Ein Körper als Landschaft

Arno Rafael Minkkinen hat seine Kamera an einem Steg in Narragansett, einer kleinen Stadt in Rhode Island, positioniert. Sie blickt über die Holzplanken hinaus auf das offene Meer. Den Auslöser gedrückt, hat er jetzt 15 Sekunden Zeit, sich in Position für sein Selbstporträt zu bringen. Minkkinen legt sich ans Ende des Steges. Kopfüber, den Rücken durchgestreckt, seinen Mund weit aufgerissen.

Die Aufnahme aus dem Jahr 1973 ist eines der ersten Selbstporträts des gebürtigen Finnen. Mit der gängigen Vorstellung, wie so ein Porträt auszusehen hat, haben seine Bilder nur wenig zu tun.

Der 68-Jährige malt geradezu mit seinem Körper. Sein Gesicht zeigt er nur in Ausnahmefällen.

Dennoch ist es ihm wichtig, dass seine Fotografien auch als Selbstporträts erkannt werden. Denn es gehe nicht nur um das Bild, sondern auch um den unverfälschten Prozess, wie Arno Rafael Minkkinen im Interview mit KURIER.at erklärt. "Es ist der ehrlichste Versuch einen Gleichklang zwischen mir und der Natur herzustellen."

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In seinen Aufnahmen zeigt Minkkinen seinen nackten Körper als abstrakt anmutendes Gebilde inmitten einer kruden Landschaft. "Die Natur um uns ist genauso vergänglich wie unser Körper. Der Körper verwelkt eben ein bisschen schneller." Ein tröstlicher Gedanke für den 68-Jährigen.

Unverfälscht

Zu seinen wichtigsten Einflüssen zählt er die Arbeiten von Diane Arbus. Die New Yorker Fotografin gelangte mit ihren schonungslosen Porträts von Randfiguren der Gesellschaft zu internationalem Ansehen. "Ich fand ihre Arbeiten interessant, weil sie die Menschen so unmittelbar zeigte, wie sie waren."

Mit Arbus teilt er den Blick für eine oft auch morbide Ästhetik des Körpers. "Ich denke, ich habe mich am Anfang einfach als eines ihrer Objekte gesehen."

Das war der Zeitpunkt, wo er beschlossen habe, selbst zur Leinwand zu werden und der Kamera das Bild machen zu lassen. Ein wahrhaftiger Prozess, ohne fremde Einmischung oder nachträgliche Bearbeitung.

"Die Leute glauben immer, ich würde meine Bilder mit Photoshop bearbeiten. Aber ich habe schon solche Bilder gemacht, da gab es Photoshop noch lange nicht", betont Minkkinen, der auch unter anderem an der University of the Arts in Philadelphia und am M.I.T. lehrte. "Die Fotografie hat viel von ihrem Zauber eingebüsst, weil sie nicht mehr für wahrhaftig gehalten wird."

Der Zauber in den Selbstporträts Minkkinens ist jedenfalls ungebrochen.

Im Alter von sechs Jahren emigrierte der 1945 bei Helsinki geborene Arno Rafael Minkkinen mit seinen Eltern nach New York. Schon früh begann er sich für Fotografie zu interessieren. 1971 schoss er sein erstes Selbstporträt. 1974 schloss er am Wagner College sein Studium der Fine Arts ab, später studierte er an der Rhode Island School of Desgin mit Harry Callaghan und Aaron Siskind. Es folgte eine intensive Lehrtätigkeit, unter anderem an der University of the Arts in Philadelphia und am M.I.T.

Seine Arbeiten sind im Museum of Modern Art in New York, dem Museum of Fine Arts in Boston, dem Pariser Centre Pompidou in Paris oder dem Metropolitan Museum of Photography in Tokio zu sehen. Dazu kommen weltweit über 100 Einzel- und mehr als 200 Gruppenausstellungen.

2006 wurde Minkinnen mit dem finnischen Staatspreis in Fotografie geehrt, erst kürzlich wurde er bei den Lucie Awards ausgezeichnet. Seine Bilder waren weltweit in zahlreichen Ausstellungen zu sehen - bis dato sind sieben Bildbände zu seiner Arbeit erschienen, zuletzt "Balanced Equation" (2010).

Weiterführende Infos: www.arno-rafael-minkkinen.com