"Anagó": Eine Lebensgeschichte als Wanderschaft in Bildern
Von Thomas Trenkler
In den 1970ern gründete die Kostüm- und Bühnenbildnerin Ulrike Kaufmann mit Erwin Piplits das Serapions Theater. Ab 1988 machte das Paar die im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Getreidebörse in der Taborstraße urbar: Kaufmann und Piplits steckten all ihre Energie in das historistische Gebäude mit den dominanten Säulen. Unerschrocken kämpften sie um das Odeon, das ihnen das Kulturamt zeitweise wegzunehmen versuchte.
Klein beizugeben: Das kommt für den 75-jährigen Piplits auch jetzt, nach dem frühen Tod von Ulrike Kaufmann, nicht infrage. Sohn Max Kaufmann, der seit 1999 mitarbeitet, übernahm die Leitung. Und nun erzählt das Serapions Theater eine neue Geschichte. Die Anregung lieferte, so das Programmheft, "Adalberts Fabel" von Chamisso. Aber eigentlich handelt der knapp zweistündige Abend von Piplits selbst: Von einer Wanderschaft durch die Zeiten mit strahlenden wie düsteren, chaotischen Momenten.
Von der Ästhetik her hat sich wenig geändert: Die Kostüme stammen aus dem Fundus, das Bewegungsrepertoire ist bekannt. Und doch gibt es Neuerungen, darunter die Drehbühne. Und auf der Cinemascope-artigen Leinwand kommt es zu reizvollen Überlagerungen mit Projektionen und Trickfilmen.
Irgendwann brechen mit schrillem Piepsen moderne Zeiten an: Die Gleichrichter, ausgestattet mit riesigen Zollstöcken, vermessen die Welt, der gemalte Wald verwandelt sich in Linien. Piplits wandert umher, er hält sich die Ohren zu, er verkriecht sich in seinen Ledermantel.
Doch ein Engel – Neuzugang Ana Grigalashvili mit betörender Stimme – beseelt die Szenerie, das Ensemble erfindet sich neu (zum "Walzer Nr. 2" von Dmitri Schostakowitsch), es kleidet sich in Prachtgewänder. Schließlich beginnt auch der alte Mann zu tänzeln. "Anagó" ist sicher nicht die beste Arbeit des Serapions Theaters, aber ein starkes Lebenszeichen.
KURIER-Wertung: