Alte Jazzroman, ganz frisch
Von Peter Pisa
Es gibt Ähnlichkeiten. Die Katzen zum Beispiel, die "durchs Gesicht" gelaufen sind: Delirium tremens.
Aber trotzdem ist es nicht die Lebensgeschichte von Bix Beiderbecke, dem einflussreichsten weißen Jazzmusiker seiner Zeit, alkoholkrank und schon mit 28 Jahren tot.
1931 war das.
Es ist "nur" seine einfallsreiche Art, Musik zum Schweben zu bringen, die Dorothy Baker beim Schreiben ihres Debüts "Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft" inspirierte.
Nicht bemerkt
Im Original heißt der Roman "Young Man with a Horn", und wenn sich in der Verfilmung 1950 Kirk Douglas auf die Suche nach dem höchsten möglichen Trompetenton begeben hat, spielte in Wirklichkeit Harry James.
In der Buchvorlage jedoch soll Beiderbecke zu hören sein. Gewissermaßen.
Es ist ein Jazzroman.
Dorothy Baker kannte sich da aus.
Es ist ein Drama, in dem viel Witz steckt, um das Leben zu ertragen – seinerzeit war diese zusätzliche komödiantische Qualität im Werk der Amerikanerin Dorothy Baker nicht bemerkt worden.
Sie litt unter der Einbildung, nicht zu den "guten Schriftstellern der USA" zu zählen.
Noch so ein Drama, das 1969 mit Krebs endete ...
Ihre Wiederentdeckung wird gefeiert, wenngleich nicht ganz so laut wie kürzlich jene des Texaners John Williams ("Stoner", "Butcher’s Crossing", "Augustus").
Geradezu sensationell ist die Frische von Bakers 1947 erstmals veröffentlichtem Roman. Dabei ist es das alte, das einfache Lied ... und da haben wir’s, was schon bei Williams so beeindruckte: Es ist bloß die Chronik eines Lebens, es geht bloß um einen leidenschaftlichen Menschen.
"Stoner" war ein Bauernbub, der für die Literatur brannte und seine Leidenschaft weiterzugeben versuchte – als Uniprofessor an Studenten, an seine Ehefrau, an die Tochter – erfolglos.
Bis zum langsamen Tod eines Herzens.
Und Rick Martin, das ist der Musiker bei Dorothy Baker: Er brennt für seine Trompete.
"Wenn man Klavier spielt, ist das irgendwo da unten, aber eine Trompete hat man am Mund, direkt an sich, und dadurch fühlt es sich an, als hätte man mehr damit zu tun" (Seite 115).
Er kann mit seiner Leidenschaft, das ist der Unterschied, anstecken. Die Kollegen in den Bands und die Zuhörer, die Tanzenden
Er geht "in die Vollen", wie Baker schreibt, "und es kostet ihn das Leben."
Seine letzten Worte im Roman lauten so, wie sie auch zu Dorothy Baker gepasst hätten (behaupten Leute, die sie persönlich kannten):
"Es ist gut, ein Leben voller Hingabe zu führen, selbst wenn dieses Leben einem irgendwann plötzlich in die Fresse haut."
Dorothy Baker: „Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft“
Übersetzt von Kathrin Razum. Nachwortb von Gary Giddins.
dtv.
272 Seiten.
20,60 Euro..
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern