Kultur

„Als das Töten reine Handarbeit war“

Legionen von Schülern ist es im Latein- oder Geschichtsunterricht eingebläut worden: Das Römische Reich prägt die westliche Welt bis heute, in Sprachen und Symbolen, in Gebäuden und Systemen – es ist quasi niemals untergegangen. Allein das erste Wort dieses Absatzes, Legionen, ist etymologischer Beweise dafür.

„Ewiges Imperium“ heißt das Buch, in dem sich der italienische Journalist Aldo Cazzullo genau damit auseinandersetzt: Rom habe Romane, Comics und Filme inspiriert, von „Quo vadis?“ über „Asterix“ bis hin zu „Ben Hur“. Das antike Rom präge die Kunst und tauche von Renaissance bis Klassizismus und Historismus immer wieder auf. „Alle Reiche, die auf das Imperium Romanum folgten, haben sich als Erben Roms betrachtet, Konstantinopel, das ‚zweite Rom‘, das Byzantinische Reich, Moskau, das ‚dritte Rom‘“, von Karl dem Großen über das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) bis zum deutschen Kaiserreich und zu Österreich-Ungarn. Napoleon bewunderte Caesar und nannte sich deshalb Kaiser (der Caesar nie sein wollte, weil über Caesar-Sein ging nichts drüber). Auch Elon Musk und Mark Zuckerberg seien Epigonen Caesars, weil sie über Gemeinschaften von Menschen herrschen, die einander niemals begegnen, verschiedene Sprachen sprechen und zu unterschiedlichen Göttern beten.

Dieser vielversprechenden Einleitung lässt Cazzullo den Satz folgen: „Die Geschichte Roms erstreckt sich über zwölf Jahrhunderte, von der legendären Stadtgründung bis zum Untergang des Westreiches, und kann hier nicht vollständig erzählt werden“ – und dann tut der Historiker-Journalist genau das: Von Aeneas und dem Gründungsmythos bis zu Konstantin, der Christ wurde und die Religion zum Machtinstrument nutzte, wird das Römische Reich auf 300 Seiten, quasi in a nutshell, erzählt.

Romulus und Remus kommen vor samt der Frage, ob eine Wölfin (lupa) oder eine Hure aus dem Bordell (lupanar) die Säuglinge gesäugt hat, der Weiberer Sextus Tarquinus wird erzählt, die Eroberung Griechenlands mitsamt den Warnungen Catos vor den „verweichlichten Griechen“, und spätestens bei Caesar wird’s atemlos schnell: der Aufstieg des Feldherren, Schriftstellers und Politikers, der Lorbeerkränze auch trug, um sein schütter werdendes Haupthaar zu kaschieren; die Ehen und Beziehungen des Mannes, „der modernen Historikern zufolge für etwa eine Million Tote verantwortlich ist, und das in einer Zeit, in der das Töten noch reine Handarbeit war“; die Schifferlfahrt mit Kleopatra, die Gerüchte (Sodomie), das Triumvirat, die Iden des März schließlich – das liest sich dicht, aber flockig, und vielleicht hätten’s die Legionen an Schülern im Unterricht gerne so, im Drüberfliegen, gehabt. Für die Umsetzung des Titels, die Prägung der westlichen Welt, blieb dann kaum noch Platz.

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