Kultur

"Ich übergebe das Schloss picobello"

KURIER: Ihre Zeit als Direktorin des Belvederes endet mit 31. Dezember – ganz leise, ohne starken Abgang.

Agnes Husslein-Arco: Ich hasse Abschiedsfeiern, weil ich ein so emotionaler Mensch bin. Die Eröffnung der Ausstellung Tina Blau war mein letzter offizieller Auftritt. Klaus Albrecht Schröder, der Direktor der Albertina, hat eine sehr schöne Rede gehalten. Das hätte er nicht tun müssen. Denn wir waren ja nicht nur Kollegen, sondern auch Konkurrenten.

Bei der internen Weihnachtsfeier soll es Standing Ovations gegeben haben.

(bricht in Tränen aus) Alle waren da. Ja, ich habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefordert. Aber auch gefördert. Ich glaube, das haben sie gewusst. Das Belvedere ist ja kein Wohltätigkeitsverein, sondern ein Dienstleister.

Die Entscheidung von SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda, Ihren Vertrag doch nicht zu verlängern, liegt nun drei Monate zurück. Fühlen Sie sich weiterhin als Opfer?

Keine Frage: Zehn Jahre sind eine schöne Zeit, ich habe sehr viel umsetzen können. Ein Höhepunkt reihte sich an den anderen, und dafür bin ich äußerst dankbar. Natürlich ist es jedem Minister unbenommen, eine neue Leitung zu bestellen. Aber dann hätte er mir keine Vertragsverlängerung anbieten sollen. Über Nacht entschied er sich anders. Das war dann schon ein Schock. Ja, ich fühle mich ungerecht behandelt. Ich wurde eben von einer Person vernadert – und es galt für mich keine Unschuldsvermutung. Das Urteil wurde gleich gefällt. Ohne Prozess. Meine Leistungen kann aber niemand ausradieren.

Beißen Sie sich in den Hintern, weil Sie Ulrike Gruber-Mikulcik vertraut und sie zur Prokuristin gemacht haben?

Es stimmt, ich habe sie ausgesucht. Ich bin dafür verantwortlich. Sie hat sehr gut gearbeitet. Dass sie dann derart die Fassung verliert, weil der Minister sie nicht zur Geschäftsführerin machen wollte, und mich anzeigt: Das hätte ich mir nicht vorstellen können. Sie hat nicht nur mir Leid angetan, sondern auch dem Haus geschadet und alle Mitarbeiter mit hineingezogen. Das verzeihe ich ihr nicht.

Die Prüfung ergab, dass Sie widerrechtlich Reiserechnungen legten. Hochgerechnet auf drei Jahre soll ein Schaden von 13.000 Euro entstanden sein.

Ich habe bewusst, um Kosten zu sparen, auf ein Dienstauto verzichtet. Und ich habe im Sommer von Kärnten aus gearbeitet – das haben alle gewusst! Daher ist es nicht unlogisch, Fahrtkosten von einem Dienstort zum anderen abzurechnen. Diese Spesen wurden von Frau Gruber abgezeichnet, und auch der damalige Kuratoriumsvorsitzende Hans Wehsely war davon in Kenntnis gesetzt worden. Wenn das irgendjemandem nicht gepasst hätte, hätte man das ja im Vorfeld artikulieren oder formalisieren können. Sich nachträglich darüber aufzuregen, riecht nach Methode.

Könnte ein Grund gewesen sein, dass Sie politisch der ÖVP zugerechnet werden? Sie wurden einst von Elisabeth Gehrer bestellt.

Ich habe mich nie politisch geäußert. Parteipolitik hat im Museum nichts zu suchen. Hier geht es um die Sache. Daher bin ich auch entsetzt darüber, wie mit mir umgegangen wurde – unter anderem von Wehsely. Ich will jetzt nicht als Beleidigte dastehen. Aber ich finde es schon sehr eigenartig, dass dem Minister der Mut fehlte, mich zu verabschieden. Das zeugt nicht von Größe. Und nun wird mir die Prämienzahlung für 2015 vorenthalten. Der Jahresabschluss ist längst abgesegnet worden, ich habe alle Kriterien übererfüllt. Die Prämie macht immerhin ein Drittel meines Gehalts aus.

Warum?

Ich weiß es nicht. Vielleicht um mich zu ärgern oder zu bestrafen. Das ist jedenfalls der Dank dafür, dass ich in den letzten zehn Jahren das Belvedere zum erfolgreichsten Bundesmuseum gemacht habe. Die Zahl der Besucher hat sich verdreifacht – von 432.575 im Jahr 2006 auf 1,27 Millionen im Vorjahr. Und dieser Rekordwert wurde heuer noch einmal übertroffen: Wir kommen auf rund 1,34 Millionen. In meiner Zeit erhielt das Belvedere Schenkungen, Nachlässe und Dauerleihgaben im Wert hunderter Millionen. Kaum jemand in Österreich hat auch nur annähernd Ähnliches geschafft. Ich habe mich für Forschungsvorhaben stark gmacht, ich habe mich dafür eingesetzt, dass es Vermittlungsprogramme für Kinder oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen gibt. Ich habe versucht, jedem österreichischen Künstler eine Plattform zu geben – von den alten Herren wie Oswald Oberhuber bis zu den ganz Jungen. Sie wussten, sie finden bei mir offene Türen vor. Und sie haben das Belvedere auch als ihr Haus angenommen. Oder: Ich weiß gar nicht, wie viele Millionen ich aufgetrieben habe, um die Projekte realisieren zu können, den Umbau des Unteren Belvederes, die Sanierung des 21er Hauses, den Aufbau des Research Centers …

Welches Projekt sticht für Sie heraus?

Zum Beispiel der Verbindungsgang vom Unteren Belvedere zur Orangerie nach den Plänen von Kühn Malvezzi. Und dass es doch gelungen ist, das 21er Haus zu erweitern – unterirdisch und um den Büroturm von Adolf Krischanitz. Das war alles andere als einfach. Was mich auch freut: Dass im Oberen Belvedere wieder die barocken Fenster rekonstruiert werden. Ich habe die Sala terrena und die Prunkstiege sanieren lassen. Können Sie sich noch erinnern, wie das ausgesehen hat? Zuletzt wurden die Supraporten an ihren ursprünglichen Ort zurückgeführt und die Wandvertäfelungen neu vergoldet. Ich übergebe das Schloss picobello.

Hätten auch Sie Stella Rollig als Nachfolgerin ausgewählt?

Ich wünsche mir eine starke Nachfolge. Denn mir liegt das Museum am Herzen. Und die Mitarbeiter. Sie müssen geführt, motiviert werden. Ich hoffe, dass das passiert. Das Belvedere ist ein Museum für die österreichische Kunst von der Gotik bis zur Gegenwart. Man muss nicht unbedingt ein abgeschlossenes Studium der Kunstgeschichte haben, aber ein großes Wissen ist hilfreich. Mir hat es jedenfalls geholfen. Daher konnte auch das Programm meine Handschrift tragen. Und wir haben in allen Epochen mit Ausstellungen geklotzt. Stella Rollig ist gut beraten, auf das Wissen der Kuratoren und von Vizedirektor Alfred Weidinger zurückzugreifen. Das nächste Jahr haben noch Sie durchgeplant. Was wird uns erwarten?

Ab Anfang Februar ist im 21er Haus unter dem Titel "Lonely Old Slogans" erstmals eine umfassende Werkschau von Daniel Richter in Österreich zu sehen. Danach, ab Mitte Juni, folgt "Traces" von Erwin Wurm. Er bestreitet ja zusammen mit Brigitte Kowanz den österreichischen Beitrag zur Biennale Venedig. Ich kann jetzt gar nicht alles aufzählen, aber wir zeigen Alfred Wickenburg, Lawrence Alma-Tadema, Birgit Jürgenssen, Friederike Pezold und vieles mehr. Im Winterpalais gibt es eine spektakuläre Modeausstellung mit dem Titel "Vulgär?", eine Kooperation mit dem Barbican Center in London, und eine Schau über Jan III. Sobieski, an der ich sehr lange gearbeitet habe.

Der Finanzminister lässt das Winterpalais ab 2018 nicht mehr vom Belvedere bespielen, "um sicherzustellen, dass dieses Juwel in guten Händen weitergeführt wird". Gerüchteweise will er Sie damit beauftragen.

Er sagte bei der Eröffnung der Ausstellung "Himmlisch", dass es kulturpolitisch richtig wäre, wenn ich diesem Land als Kulturmanagerin erhalten bliebe. Aber er führte mit mir kein Gespräch.

Sie werden 62 Jahre alt. Dass Sie in Ruhestand gehen, ist nicht vorstellbar.

Es gab viele Angebote, von privaten Sammlungen wie von öffentlichen Institutionen. Aber ich hatte dafür keinen Kopf. Denn in den letzten Wochen war noch vieles zu erledigen. Jetzt fliege ich mit meinem Mann nach Burma – zum ersten Mal. Und dann schauen wir weiter. In eine politische Abhängigkeit möchte ich jedoch nicht mehr geraten.