Kultur

51 Jahre "steirischer herbst"

Am 15. Oktober setzt Veronica Kaup-Hasler, die scheidende Intendantin des "steirischen herbstes", einen wehmütigen Kontrapunkt zur Nationalratswahl: Sie lädt von 12 bis 15 Uhr zu einem "Very Last Brunch" ins Festivalzentrum ein, das heuer im Palais Attems eingerichtet wurde – unmittelbar unter dem Büro. Danach wird die 50. Ausgabe Geschichte sein.

Tatsächlich die 50. Ausgabe? Jedenfalls laut offizieller Geschichtsschreibung. 1968 wurde mit einer programmatischen Rede von Hans Koren, dem damaligen Landeskulturreferenten (ÖVP), der erste "herbst" eröffnet. Das Festival sollte "eine repräsentative Zusammenfassung der künstlerischen und wissenschaftlichen Kräfte des Landes Steiermark" sein, also eine Leistungsschau – im "Wettstreit" mit "Darbietungen" aus anderen Nationen als Ergänzung. Entsprechend kunterbunt zusammengewürfelt war das Programm.

Doch eigentlich muss man das Jahr 1967 als Geburtsstunde ansehen. Denn schon die "Nullnummer" wies all das auf, was den "steirischen herbst" in der Folge ausmachen sollte, darunter die Kleinschreibung des Titels, die Hinwendung zur Avantgarde – und, damit einhergehend, die Provokation.

Gefürchteter Mann

In jenem Jahr fand zum dritten Mal das vom Kunsthistoriker Wilfried Skreiner, einem gefürchteten Mann, der seine Studentinnen zum Weinen brachte, initiierte "trigon" statt. Nach zwei konventionellen Ausgaben zu den Gattungen Malerei und Skulptur wandte sich die Dreiländerbiennale, die den Austausch zwischen Österreich, Jugoslawien und Italien fördern wollte, mit dem unerhörten Titel "ambiente / environment" dem Umgang der Kunst mit dem (öffentlichen) Raum zu. Nicht nur im, sondern auch rund um das Künstlerhaus waren sonderbare Gebilde u.a. von Oswald Oberhuber, Josef Pillhofer, Roland Goeschl und Mario Ceroli zu sehen. Hinzu kam eine "transparente Temporärarchitektur" von Günther Domenig und Eilfried Huth aus Gerüststangen und Plastikfolie. Der Skulpturenpark stieß auf Unverständnis – und entfachte einen veritablen Kulturkampf.

Die Kleine Zeitung diente als Plattform: Auf der einen Seite standen die reaktionären Geister, auf der anderen die Verteidiger der Moderne. Alexander Götz, von 1964 bis 1973 Vizebürgermeister und danach bis 1983 Bürgermeister (FPÖ), goss Öl ins Feuer. Er beklagte, dass die Kritiker als "Kunstbanausen", als "ewig Gestrige" angesehen würden – und bezeichnete die Gestalter gleichzeitig genüsslich als "Scharlatane".

Revolutionäre Schau

Sandro Droschl, Leiter des Künstlerhauses, erinnert nun, zusammen mit Kurator Jürgen Dehm an diese revolutionäre Schau: Im Untergeschoß wird anhand von Skizzen, Modellen, Fotos und Faksimiles die Geschichte nacherzählt; im Erdgeschoß und rund um das Gebäude greifen Künstler das Motto von damals auf. Die exzellente Schau nennt sich daher "trigon 67/17 – ambiente nuovo / post environment".

Esther Stocker hat das Foyer ausgestaltet, dahinter rotieren Bürsten von Autowaschanlagen (von Lara Favoretto), Micol Assaël lässt die Besucher die Kälte in einem sibirischen Arbeitslager ansatzweise nachvollziehen, der Grazer Max Frey erzeugt mit einer Klappe aus Holz einen gewaltigen Luftstoß; den Außenraum dominieren ein "Spiegelkabinett" von Markus Wilfling, ein absurder Wachturm von Ludovica Carbotta, ein Stapel Reifen von Markus Wilfling (als Ende einer "Säule", die in der darunterliegenden Tiefgarage beginnt) und eine mächtige Ton-Installation von Rosa Barba aus Rohren. Gelassen führt eine Frau ihren Hund Gassi. Die Zeiten haben sich eben geändert.

Chaotischer Rückblick

Wie wichtig die ’67er-"tigon"-Biennale war: Darauf weist Rainer Metzger hin – in seinem Beitrag über die bildende Kunst für das liebevoll gestaltete "herbstbuch" (Styria Verlag), das sich offiziell mit der Zeit "1968–2017" beschäftigt. Und auch in der Schau "Diese Wildnis hat Kultur" im GrazMuseum über "50 x steirischer herbst" wird das "Vorspiel" 1967 abgehandelt.

Fans des Festivals (wie der Rezensent dieses Artikels, der von 1985 bis 1990 für den "herbst" arbeitete), werden in Erinnerungen schwelgen. Auch wenn die Geschichte samt all den Plakaten im Spiegel der Presse eher chaotisch aufbereitet ist.

Bis 23. 11. ("trigon 67/17") bzw. bis 8. 1. ("Diese Wildnis ...")

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