Kultur

40 Jahre Ars Electronica: Auf dem Weg zur digitalen Aufklärung

Normalerweise nehmen Kulturfestivals Abstand davon, das Wort „Krise“ im Titel zu verwenden. Vor allem, wenn es rundum Grund zum Feiern gibt: Die Ars Electronica, das Linzer Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft, feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen und zelebriert das mit dem umfassendsten Programm seiner Geschichte: Mehr als 500 Events finden an den fünf Festivaltagen statt, mehr als 1400 Künstler und Vortragende reisen an, 245 Führungen versuchen, Orientierung im Überfluss zu schaffen. „Wir sind das größte und wichtigste Event-Festival im Bereich digitaler Kultur in Europa“, sagte Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter seit 1995, bei der Programmpräsentation am Donnerstag. Dass die Institution den Imagewandel der Stadt Linz von der Industrie- zur Technologie- und Kulturstadt maßgeblich förderte, soll nicht unerwähnt bleiben.

Krise? Welche Krise?

Und doch: Es geht heuer unter dem Jahresmotto „Out of the Box“ um die „Midlife-Crisis der digitalen Revolution“. Denn viele der Utopien vergangener Jahre scheinen sich ins Gegenteil verkehrt zu haben, die Angst, überwacht und von künstlichen Intelligenzen überrundet zu werden, geht um. Doch wenn es eine Konstante in 40 Jahren Ars gegeben habe, dann sei es die Rückbindung technischen Umbruchs an das tägliche Leben, so Stocker: „In Linz hat man schon vor 40 Jahren begriffen, dass die eigentlich revolutionären Aspekte der Technik in der Kultur liegen.“

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Rück- und Vorschau

Das Jubiläumsprogamm will in diesem Sinn zwar zu einer Rückschau innehalten, aber gleichermaßen den Blick auf kommende Herausforderungen schärfen.

Zwei Ausstellungsprojekte widmen sich dabei explizit der Geschichte der Veranstaltung, die 1979 von ORF-Landesintendant Hannes Leopoldseder, dem Technikpionier Herbert W. Franke und dem Musiker Hubert Bognermayr aus der Taufe gehoben wurde: „Ars and the City“ im Lentos Museum blickt auf Projekte zurück, die an öffentlichen Räumen realisiert wurden, die Schau „Ars On the Wire“ widmet sich der Entwicklung des Internets. Letztere findet in der „Postcity“, dem einstigen Verteilerzentrum am Linzer Bahnhof, statt. Das Gebäude wird heuer zum letzten Mal als Festival-Zentrale genutzt. Als Buch erschienen ist dazu „Creating the Future“, eine „Biografie“ der Ars Electronica von Andreas J. Hirsch (Hatje Cantz Verlag, 40 €).

Die starke Präsenz musikalischer Beiträge im heurigen Programm erinnert daran, dass die „Ars“ aus der „Klangwolke“ (heuer am 7. 9., ergänzt um das Hommage-Konzert „Episode am Fluss“ am 8. 9.), hervorging. Die Verbindung von herkömmlicher Komposition und künstlicher Intelligenz ( AI) steht im Fokus: Bei einer Konzertnacht am 6. 9. (19.30, Postcity) spielt das Bruckner Orchester Gustav Mahlers zehnte, unvollendete Sinfonie – ergänzt durch Passagen, die das künstliche neuronale Netzwerk „MuseNet“ auf Basis des Bratschen-Motivs am Beginn komponierte. An der Bruckner-Universität und im Barockstift St. Florian widmet man sich tags darauf mit Talks und Konzerten dem Thema „AI x Music“.

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Maschine macht Musik!

Stocker insistiert, dass es nicht bloß darum gehe, vorzuführen, wozu Technik heute in der Lage ist. Von der romantischen Idee, dass Kreativität auf alle Zeit das Reservat von Menschen bleiben könne, müsse man sich allerdings verabschieden: „Die Frage ist nicht, was Maschinen können werden, sondern was wir damit tun werden.“

In diesem Sinn sind mehrere Programmpunkte des Festivals – darunter eine Konferenz am 8. 9. und die Ausstellung „Human Limitations, Limited Humanity“ – der Frage gewidmet, welchen Platz das Menschliche in der digitalen Welt hat und in Zukunft haben könnte.

Denn der heute von Silicon-Valley-Firmen praktizierte „Datenkapitalismus“, in dem individuelle Daten nur den Rohstoff für einzelne Firmen darstellen, ist für Stocker ebenso unbefriedigend wie der „Datentotalitarismus“, in Ländern wie China, der mit absoluter Überwachung einhergeht. Das Motto „Out of the Box“ will der Festivalchef daher als Aufruf zur Emanzipation verstanden wissen – raus aus der Komfortzone, auf nach Linz.

Die wichtigsten Programmpunkte der Ars Electronica 2019

Die  Ars Electronica beginnt mit einem „Pre-Opening“ am Mittwoch, den 4. 9., ab 17 Uhr. Von 5. bis 9. September sind an diversen Standorten Ausstellungen zu sehen, parallel läuft ein dichtes Event- und Konferenzprogramm samt Parties.

  • Postcity: Das ehemalige Verteilerzentrum am Bahnhof dient heuer letztmals als Festivalzentrale für Ausstellungen und Konferenzen.
  • Lentos Museum: Das Haus zeigt die Rückblicks-Schau „Ars and the City“.
  • Ars Electronica Center: Das Technik-Museum wurde komplett neu gestaltet.
  • Kunstuniversität Linz: Ausstellung  der Bauhaus Universität Weimar: „Shared Habitats“
  • OK Centrum, OÖ Kulturquartier: Ausstellung von Preisträgern und Einreichungen des „Prix Ars Electronica“ (bis 15. 9.)
  • Mariendom: Im Rahmen der  Schiene  „Gallery Spaces“, die Medienkunst  für Sammler aufbereitet, gastiert hier das Start-up  YAIR aus Berlin.
  • Stift St. Florian: In den barocken Räumen   finden am 7. 9. von 14.–22 Uhr Talks und Konzerte statt, u. a. mit Josef Penninger, Hermann Nitsch und Christian Fennesz.
  • Donaupark: Auf die vom Brucknerhaus ausgerichtete, von David Pountney inszenierte „Klangwolke“ am 7. 9. folgt am 8. 9. ein Konzert, in dem  Musiker auf Basis der ersten „Klangwolke“ 1979 neue Stücke realisieren (19–22 Uhr).