Würde putzen glücklich machen, wäre die Welt im Opiumrausch
Von Simone Hoepke
Ich habe auf den Putztipp eines Mannes gehört. Ein Fehler. Jetzt ist meine Laune im Keller.
Einen Schmutz-Radierer empfiehlt er mir. Als Killer für den kleinen Bleistiftstrich an der Wohnzimmerwand, der mich nie gestört hat.
Ich radiere.
Tatsächlich.
Der Strich ist weg.
Verschwunden. Hinter einem riesigen grauen Fleck, der plötzlich an der Wand prangt.
Ich zuck aus.
Von wegen Putzen macht glücklich.
Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Vermutlich die Putz-Mafia, die ja binnen Wochen die Welt erobert hat. Ich bin selbst beigetreten und quasi am Dauerwischen und Desinfizieren. Türklinke, Tastatur, Tisch, die Displays vom Tablet und Telefon – alles wird in Dauerschleife desinfiziert.
Wenn ich zu Hause fertig bin, geh’ ich in den Supermarkt und desinfiziere dort ein Einkaufswagerl. Machen die anderen genauso. Würde putzen wirklich glücklich machen, wäre die ganze Welt wie im Opiumrausch.
Abends bin ich von der ganzen Putzerei erledigt. Will nicht einmal mehr zur desinfizierten Fernbedienung greifen, ZiB einschalten und auf die Grafik mit den Infektionszahlen starren.
Ich lese lieber. National Geographic. Das ist nichts für schwache Nerven.
Es gibt achtbeinige, spinnenartige Milben. Voll grauslich. Die Viecher verhalten sich wie der Mensch in Corona-Zeiten: Sie verlassen ihr Zuhause so gut wie nie. Das schlimme daran ist, dass sie in unserem Gesicht wohnen. Stecken kopfüber in den Poren und halten den Hintern in die Luft. Neun von zehn Menschen beherbergen diese Gesichtsmilben.
Und ich dachte, dass ich nach meinen Putzorgien von Bazillen, Keimen, Mikroben, Viren und all dem Kleinzeugs befreit bin.
Putzen ist überbewertet.