Ein erfolgreiches Jahr für die Musikdetektei Internet
Von Christina Böck
Record. Es war eine der ganz großen Wutquellen der Adoleszenz in den Achtzigerjahren: Da war schon endlich mal der Lieblingssong im Radio, man schaffte es rechtzeitig zum Aufnahmeknopf und freute sich auf das Glück endloser Wiederholungen unabhängig von den Launen des Radioprogramms. Und dann, kurz vor den letzten erhabenen Klängen passierte es: Eine unerträglich fröhliche Stimme sagte, wie spät es gerade ist, was einem gerade nicht wurschter sein hätte können. Jüngere Generationen haben ja keine Ahnung, was für ein hart erarbeiteter Schatz ein unbequatschtes Mixtape einst war! Jener Mann, der 1984 bei einem kessen New-wave-Lied auf „Rec“ gedrückt hat, wäre allerdings ganz froh gewesen, wenn ihm jemand in die Aufnahme geplappert hätte. Zumindest den Titel oder die Band des Stücks. Dann wäre es aber auch niemals zum „Mysteriösesten Song des Internets“ geworden.
Stop. 2007 hat der Mann das Lied entnervt ins Internet zur weiteren Untersuchung gestellt, und seither haben sich Online-Musikdetektive daran abgearbeitet. Es hat 17 Jahre gedauert, bis das Lied vor Kurzem identifiziert wurde. Es heißt „Subways of Your Mind“ und stammt von der Band Fex. Die klingt zwar nach Berg, stammt aber aus Kiel. Gut, kann man sagen, Kiel, da muss man erst mal draufkommen. Die norddeutsche Stadt ist jetzt nicht gerade das vibrierende Pop-Epizentrum. Von dort kommen Bands mit den lebensbejahenden Namen Endstille oder Affenmesserkampf.
Play. Heuer war überhaupt ein gutes Jahr für die „Detektei Internet“, Abteilung lange gesuchte Songs. Der zweitmysteriöseste Song des Internets wurde bereits im April nach drei Jahren dechiffriert. Auf der Diskussionsplattform Reddit hatten sich weltweit 40.000 Internet-Detektive zusammengetan. Gefunden wurde der Song mitsamt Interpreten schließlich in einem 80er-Jahre-Film, in dem lustversprechende Engel auf die Erde herniederkommen. Ja, es handelt sich um einen Porno. Nun, als Internet-Detektiv muss man schon auch manchmal Opfer bringen.