Wer Eremit werden will, hat jetzt gute Karrierechancen
Von Simone Hoepke
Ich mag Menschen, die sich ernsthaft mit meinen Problemen auseinandersetzen und ihnen sogar einen Namen geben. Patrick McGinnes zum Beispiel.
Der Besteller-Autor hat den Begriff „Fobo“ in die Welt gebracht. Steht für „Fear of better options“. Also für die Angst vor besseren Optionen. Anders gesagt, für die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, weil man mit dem Abwiegeln der Alternativen nicht fertig wird.
Das Problem begleitet mich durchs Leben.
Ich schreite kilometerlange Supermarktregale voller Joghurt ab und kaufe doch immer die gleiche Sorte. Im Restaurant bekomme ich Schweißperlen auf der Stirn, wenn mir der Kellner die Telefonbuch-dicke Speisekarte überreicht. Und das Fernsehprogramm ist nicht spannender geworden, seit es eine Trillion Sender gibt.
20.000 Entscheidungen trifft der Mensch täglich. Vermutlich aus Resignation flüchtet das wohlstandsverwöhnte Individuum auf die Couch.
Cocooning nennt man das.
Klingt nach Verwandlung in einen wunderschönen, zitronengelben Schmetterling, ist aber eine Metamorphose zum Couch-Potato. Meist tritt sie kurz vor vereinbarten Treffen ein, die dann last minute abgesagt werden. Per WhatsApp. Ohne lange Umschreibungen von „eigentlich wäre ich gern gekommen, aber dann bin ich lieber daheim geblieben“.
Auch für das gibt es schon einen Begriff – Jomo. Joy of Missing out, also Spaß daran, etwas zu versäumen.
Das Leben als Eremit (frei nach dem US-Satiriker Gwinnett Bierce: „Ein Mensch, dessen Laster und Torheiten ungeselliger Art sind“) wird so wieder en vogue.
Wer hauptberuflich Einsiedler werden will, hat aktuell gute Karrierechancen. In Saalfelden im Pinzgau wird ein Eremit gesucht. Dienstort ist eine 350 Jahre alte, nicht prinzessinnentaugliche Klause: Kein Fließwasser, kein Strom, keine Zentralheizung.
Bewerben kann man sich übrigens per Brief beim Pfarramt Saalfelden.