Kolumnen

Weichgespülte Sprache

Im Zug der zweijährigen Heimsuchung hat sich eine Art Neusprech entwickelt, der sich einer – beobachtet man genau – gewissen Milde und dadurch einer Unschärfe im Ausdruck befleißigt.

Eine gängige Vokabel dieser Art ist „besorgniserregend“.

Alles, was rund um die Seuche unerwartet, verwirrend, gefährlich und entsetzlich ist, ist zunächst einmal „besorgniserregend“, wie zum Beispiel die neue Virus-Mutation und ihre Folgen.

Man spricht darum auch noch immer von Menschen, die Sorgen haben oder besser sich solche machen, von Skeptikern, die der Aufklärung bedürfen, auf die man zugehen und denen man zuhören müsse. Muss man nach allen möglichen Initiativen, wie beispielsweise Impflotterien(!), nach Aufklärung und Klarstellung noch jemandem zuhören, der trotz allem halsstarrig behauptet 1 + 1 = 3? Und das dann unter „Ängste“ subsumieren?

Wie segensreich ist das Pochen auf Demonstrationsrecht, wenn es sich seit geraumer Zeit gar nicht mehr um Demonstrationen, sondern um Aufmärsche handelt? Gibt es ein Aufmarsch-Recht oder nicht – um im Bild zu bleiben – eine Abmarsch-Pflicht? Warum sendet man Wortspenden von Menschen, die sagen: „… wir leben in einer Diktatur“?

Migranten werden beispielsweise von jenen Schießbudenfiguren der Politik mit Holzhammer-Rhetorik als „Gefährder“ bezeichnet, die heute auf einmal mit Schnappatmung für Grundrechte und Freiheit eintreten? Sind Menschen, die sich vor Krankenhäusern und Ordinationen zusammenrotten bloß „besorgniserregend“ oder nicht doch gemeingefährlich? Ein öffentlich geifernder Politiker befeuert den Druck von der Straße, um sich zu ermächtigen. Ich hoffe, wir wissen noch, wer mit solchem Druck von der Straße an die Macht gekommen ist.