Kolumnen

„Chaos de luxe”: Der Energiesauger-Großputz

Tod allen Energy-Suckers“, brüllte B, nicht mehr total nüchtern aus dem Fenster, „ich gebe sie hiermit zum Abschuss auf die Erdumlaufbahn frei.“ Die Nachbarn zwei Stockwerke tiefer unterschätzten die Bedeutsamkeit der Erkenntnis und brüllten hinauf: „Sads es wo angrennt?“ „Ja“, antwortete B voll Theatralik im Tonfall, „am Leben, ihr Schüttler!“ B hatte gerade einen sozialen Energiesauger-Großputz veranstaltet und war dementsprechend euphorisiert. Nach welcher Methode sie vorgegangen war? Sie hatte das Nummern-Verzeichnis  ihres Telefons gescannt und jenen „Leer-Stellen“ von Menschen in ihrem nächsten Umfeld, die a) nur von sich selbst redeten oder b) sich im Dauer-Jammermodus befanden oder c) in der Disziplin „Geben“ total untalentiert waren und sich immer irgendwie durchs Leben schnorrten, in einem Rundschreiben mitgeteilt: „Leute, das war’s! Hiermit kappe ich den Kontakt, bei uns passt seit geraumer Zeit die Chemie irgendwie nicht mehr.  Meine Zeit ist mir inzwischen  so kostbar wie ein Fabergé-Ei aus dem Besitz des Zaren. Habt ein schönes Leben! PS: Ihr könnt mir ruhig böse sein! PPS: Reklamation zwecklos.“ – „Kamen schon Rückmeldungen?“ wollte ich wissen. „Ja, eine frischgebackene Ex-Freundin wollte wissen, ob ich schlecht eingestellt bin. Und mein Cousin meinte, ich sei nur deswegen so verbittert, weil ich schlechten oder gar keinen Sex habe.“ Sie vollführte zwei Fred-Astaire-würdige Luftsprünge: „Das ist ja immer das Lieblingsargument der Männer bei Frauen mit Plan: Sie haben schlechten Sex. Ich liebe die Freiheit generell, aber ganz besonders meine.“ – „Hast du gar kein schlechtes Gewissen? Ich meine, du hast jetzt eine ganze Menge Menschen mit der Marie-Kondo-Nummer verstört.“ –  „Ich bin 49 und in meinem Leben gibt es eigentlich nur mehr eine Regel: Bevor es mir schlecht geht, soll es besser den anderen schlecht gehen.“ Das hatte was. Ich begann durch mein Nummern-Verzeichnis zu flanieren. Ganz sachte. 

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