Kolumnen

Mitte Jänner sind Neujahrsvorsätze längst Geschichte

Der Christbaum überlebt traditionell den Neujahrsvorsatz. Der Mensch wirft seine guten Vorsätze einfach schneller über Bord, als eine Nordmanntanne nadeln kann.

Anfangs ist ja alles einfach. Im postrauschalen Zustand nach der Silvesterparty will der Mensch sowieso nie wieder Alkohol trinken, weder aktiv noch passiv rauchen und eigentlich auch nichts mehr essen. Was das Ziel, mindestens drei Kleidergrößen kleiner in den Sommer zu spazieren, in greifbare Nähe rücken lässt. Auch der Vorsatz, seine Lebenszeit nicht länger mit sinnbefreiten Realityshows zu verschwenden, greift am Jahresersten. Nicht, dass man sich nicht mehr freut, wenn man im Fernsehen Menschen sieht, die noch peinlicher unterwegs sind als man selbst. Man schlummert dank des Schlafdefizits nur ein, bevor die Sendung beginnt.

Den Plan, fortan Bücher in englischer Originalfassung zu lesen, muss man damit vorerst vertagen. Genauso wie das Fitnessprogramm, das dankenswerterweise eh ausfällt, weil das Fitnesscenter erst ab 2. Jänner aufsperrt und dann überrannt wird.

Bis Mitte Jänner. Dann melden sich die ersten Doch-Nicht-Sportler eilig vor Ablauf des Probemonats ab. Jene, die bereits einen Jahresvertrag unterschrieben haben, wechseln stillschweigend in die Neigungsgruppe „unterstützendes Mitglied“.

Noch vor Maria Lichtmess (am 2. Feber) zieht Normalität ins Leben ein. Man sitzt mit seinem inneren Schweinehund und einer Packung Chips auf der Couch und freut sich, dass am Smartphone leider kein Speicherplatz mehr für die neue App zum „Fremdsprachen lernen in 24 Stunden“ frei ist. Plan gescheitert. Macht nix.

Ich hab recherchiert.

Wer seine Pläne nicht umsetzt, ist in bester Gesellschaft. Leonardo da Vinci ist mit den meisten seiner Pläne gescheitert. Auch der Wiener Stadtplaner Otto Wagner hätte gern viel mehr gebaut, wenn ihn der Kaiser nur hätte lassen. Gescheiterte Projekte sind also keine Krise. Frei nach Max Frisch: „Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“