Lob der Melancholie
Von Georg Leyrer
„Ich bin nicht nostalgisch“, sagt die große Catherine Deneuve im KURIER-Interview, „aber ich kann manchmal melancholisch sein“.
Es lohnt, bei diesem Satz innezuhalten. Denn Nostalgie durchtränkt längst in derart hoher Dosis den Alltag bis hin zur Politik, dass sie zum Gift wurde: Die Gegenwart wird anhand einer glorifizierten Vergangenheit, die es so natürlich nie gegeben hat, entwertet und kleingeredet. Wer früher alles besser fand, war offenbar nicht dabei. Trotzdem ist die Nostalgie zum Geschäftsmodell geworden und spült die Populisten nach oben.
Melancholie hingegen ist ein weit revolutionäreres Gefühl, eines der Unzufriedenheit mit dem Verlauf der Dinge: Diese Emotion beklagt, dass etwas Schönes nicht fortgesetzt wurde – und nicht nur, dass das Schöne verloren gegangen sei, wie die Nostalgie.
Nostalgie gibt die Gegenwart verloren. Melancholie ist unzufrieden mit ihr. Nur Zweiteres birgt die Motivation, sie zu ändern.