Kolumnen

Leere im Kopf

Fünf Minuten können sich sehr unterschiedlich anfühlen. Sie vergehen schnell, wenn sich eine schöne Frau im Bett über einen beugt, sie vergehen langsam, wenn die Frau eine Maske trägt, einen Bohrer in der Hand hält und sagt: „Es wird jetzt a bissl wehtun“.

Vielleicht ist der Trick bei der Zahnärztin die Augen zu schließen und sich vorzustellen, die Wurzelbehandlung ist nur Teil vom Vorspiel. Letztens konnte ich bei meiner Zahnärztin beobachten, wie sich im Wartezimmer von zehn Patienten neun durch ihr Smartphone wischten. Ausschließlich Erwachsene. Nur ein vielleicht siebenjähriges Mädchen, drehte einen Stoffpinguin und schaute in die Luft. Ihre kurze aufblickende Mutter fragte: „Hast du was?“ Das Mädchen antwortete dann tatsächlich: „Fantasie“.

Schade, dass es keinen Oscar für die Antwort des Jahres gibt. Meine Tochter sagte einmal bei einer gemeinsamen Zugfahrt zu mir: „Ständig beklagst du dich, dass du keine Zeit hast, aber kaum hast du welche, scrollst du dich durchs Handy.“ Ein kluger Satz, man muss aber auch sagen, dass ihr Akku leer war.

Oft frage ich mich was wir Menschen, bevor wir uns durchs Smartphone wischten, in der ganzen Wartezeit machten? Vielleicht haben wir uns in der Achselhöhle gekratzt, einer Stubenfliege nachgeschaut oder einen Stoffpinguin gedreht. In ländlichen Gemeinden sind ältere kopftuchtragende Frauen auf einer Bank gesessen und haben den ganzen Tag nur geschaut. Sicher, sie haben dann auch alles gewusst. Sie waren wie Facebook und Twitter, nur schneller. Nichts fällt dem modernen Menschen schwerer, wie darauf zu warten, dass nichts passiert. Vielleicht stellen wir 2020 die Langeweile unter Artenschutz. Ich werde mir inzwischen zu Weihnachten statt einem neuen Handy einen Stoffpinguin wünschen. Vielleicht erfahre ich beim Drehen mehr als beim Wischen.