Kolumnen

Juliane Fischers Flaschenpost: Hand aufs Herz

Mein 2020 war ohne Südtirol. Wehmütig denke ich an das Tretbootfahren am Kalterer See, an den lauen Abend in Tramin, an die 100 Jahre alten Weinstöcke, die zur Kellerei Girlan gehören. Ich stelle mir den Blick über Bozen vor. Entweder man kurvt die Serpentinen zum Weingut Loacker hinauf oder man besucht auf der fast gegenüberliegenden Seite Martin Gojer, diesen freigeistigen Winzer, der eine besondere Gelassenheit ausstrahlt, wenn er barfuß zu seinen Hühnern geht, die unter dem Weinlaubdach gackern.

Überhaupt: diese Pergola-Erziehung! Das ist auch typisch Alto Adige, wie die Reben sich an laubenartigen Holzgestellen emporranken. Von Vernatsch war an dieser Stelle schon die Rede, heute öffne ich einen Weißwein – „Eichhorn Pinot Bianco DOC 2019“, von einem – wie es heißt – namhaften Weingut. Einen Namen hat eigentlich jeder Hof – in Südtirol kommt vielleicht die Besonderheit dazu, dass es viele Genossenschaften gibt, die ihren Namen an den Ortsnamen anlehnen; zum Beispiel Kellerei Terlan. Dorthin lieferte das Weingut Manincor bevor es Michael Goëss-Enzenberg von seinem Onkel übernahm. Seit 25 Jahren produziert er den Wein – mit einem großen Team natürlich, es sind Trauben von 50 Hektar – im eigenen Keller. „Man – in – Cor“ übersetzt die Grafenfamilie übrigens mit „Hand aufs Herz“. Der Hof-Erbauer (1608!) hieß Hieronymus Manincor. Er erweiterte das Familienwappen um dieses Symbol. Also Hand aufs Herz: Fehlt Ihnen Südtirol auch ein bisserl?

Sie kostet sich durch die Weinwelt, arbeitet als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten in Niederösterreich.
Auf den Geschmack gekommen? Bei Anregungen und Feedback zu Wein und Weinkultur schreiben Sie der Kurier-Freizeit-Redaktion unter flaschenpost@kurier.at