Kolumnen

Johannas Fest: Geizkrägen und Big Spender

Vergangene Woche lud mich meine Freundin Angelika in ein kleines feines Speiselokal am Wiener Schubertring ein. Wir wählten je zwei Gänge aus dem Mittagsmenü. Nach eineinhalb Stunden bat Angelika um die Rechnung. 72 Euro machte sie aus. Meine Freundin legte 90 Euro auf den Teller und beschied dem Kellner „stimmt so“. Mehr als zwanzig Prozent Trinkgeld – das war echt großzügig.

Mit Paul, der mich vor Wochen bat, ihm mein Lieblingslokal zu nennen, in das er mich ausführen wollte, habe ich das Gegenteil erlebt. Trotz des hervorragenden Service ließ er sich das Retourgeld auf Heller und Pfennig auszahlen. – Ich habe mich für den Geizkragen geschämt. Am liebsten hätte ich die verdiente Wertschätzung fürs zuvorkommende Personal draufgelegt. Damit hätte ich aber Paul desavouiert.

Laut einer Blitzumfrage des Magazins Falstaff honoriert nur jeder siebente Gast guten Service mit mehr als 15 Prozent. Ich gehöre zu den drei Viertel der Befragten, die regelmäßig um die zehn Prozent Trinkgeld geben. Eine Zwangs-Servicepauschale, wie sie vereinzelt in der Gastronomie eingeführt wurde, lehnen die meisten Befragten ab. Schließlich soll die Höhe des Trinkgeldes eine freiwillige Anerkennung für die Dienste des Personals sein. Der Hinweis auf Speisekarten, dass kein Trinkgeld zu geben Unzufriedenheit signalisiere, wird knausrige Gäste aber wahrscheinlich auch kaltlassen.