Kolumnen

Ich schau Claudia Schiffer immer ähnlicher

An dem Tag, an dem der Mensch den Versprechungen der Kosmetikindustrie keinen Glauben mehr schenkt, bricht die Wirtschaft ein für alle mal zusammen.

Ich will nicht für Massenarbeitslosigkeit verantwortlich sein. Deshalb kauf ich Lippenstift, der mehr Volumen verspricht, Cremen für den strahlenden Teint oder Schminke für den umwerfenden Look.

Es gibt nichts, was es nicht gibt. Früher hat man Babys Bernsteinketten um den Hals gelegt, heute schmieren sich Erwachsene „Bernstein+Öl“ in die Haare (zur Haarbruch-Kontrolle, repariert das Haar von innen). Eine luxuriöse Perlen-Essenz, steht auf der Packung, „entwickelt mit Claudia Schiffer“. Hab ich natürlich gekauft. Ich schau der Schiffer von Tag zu Tag ähnlicher.

Weil ja auch der Mann ein eitler Zipf ist, bauen Drogeriemärkten ihm jetzt eigene Männerregale, wo er nicht mit Pril, Pampers und Putzfetzen belästigt wird (und auch nicht von Weibsvolk).

Ein Freund (ver-)zweifelt dennoch an der Schönheitsindustrie. Er hat sich die „Active Energy“-Creme für „gesundes Aussehen“ ins Gesicht geschmiert. Vor dem Familienessen. Die Oma fand prompt, dass er ungesund ausschaut, die Mama, dass er Augenringe hat. Letzteres war streng genommen gar nicht möglich, hatte er doch extra den Anti-Augenringe-Roller verwendet. Der Bruder meinte überhaupt, er schaue irgendwie versoffen aus. Er, der Freitagabend um spätestens Mitternacht nach Hause geht, weil Montag ein Arbeitstag ist.

Gut, diesmal sei es später geworden, sagt er. Aber nur, weil er den Versprechen der Kosmetikindustrie auf dem Leim gegangen ist. „Anti-Hangover“ stand auf dem Duschgel. Der Gin-Tonic-Kater machte dennoch keine Anstalten, sich zu vertschüssen. Selbst das Wake-up-Call-Duschgel war für die Katz’. Genauso wie die regenerierende Nachtcreme.

Er nimmt jetzt keine Anrufe der Verwandtschaft mehr entgegen. Aus kosmetischen Gründen. An einem Handy kleben mehr Bakterien als an öffentlichen Klos. Man sollte es sich nicht so oft an die Wange klatschen.

simone.hoepke