Kolumnen

Handwerkskunst hat Gold im Mund

Was mir persönlich noch mehr Achtung abringt, sind die jungen Frauen und Männer, die einen handwerklichen Beruf erlernen und darin ihre Berufung sehen. Allein in Wien sind das über 20.000 Jugendliche. Die meisten beginnen ihre Lehre nach der mittleren Schulreife, viele ändern ihren Ausbildungsweg aber auch, wenn sie nach ersten Lern- und Berufsschritten entdeckt haben, was ihre speziellen Neigungen sind. Immer öfter ergreifen auch Maturanten einen Lehrberuf: Angesichts der Aussichtslosigkeit einer gesicherten Zukunft als Halb- oder Vollakademiker besinnen sie sich ihres handwerklichen Geschicks und bringen es darin zur Exzellenz.

Mitte Mai haben Kardinal Schönborn und Bundespräsident Van der Bellen auf Initiative von Fachinspektor Romanek Hunderte Lehrlinge zum „Tag des Lehrlings“ in und rund um den Dom eingeladen. Bei einem Empfang für Medienvertreter des Landes vergangene Woche hat Kardinal Schönborn mit Hochachtung von seinem Besuch bei allein 600 Lehrlingen in den Lehrwerkstätten der ÖBB erzählt: „Ich bewundere alle Menschen, die mit ihren Händen etwas herstellen können. Ich kann das nicht, höchstens mit meinem Kopf so manches, und da werd´ ich schon schwächer!“

Verschiedene handwerkliche Gewerbe feiern jährlich an ihrem Innungsaltar im Dom einen Festgottesdienst. Die Goldschmiede beispielsweise in der Eligiuskapelle, die tagtäglich von früh bis spät für die Anbetung offensteht; sie ist ihrem Patron, dem heiligen Eligius geweiht.

Dort stehen Kerzenleuchter als Symbol für die ständige Erreichbarkeit Gottes vor dem Allerheiligsten. Anlässlich des 650 Jahr-Jubiläums versprach mir Innungsmeister Hufnagl eine besondere Gabe. Inzwischen sind die kunstvoll gestalteten und, natürlich, vergoldeten Kerzenleuchter fertig – das Werk eines jungen Meisterlehrlings. Bald werden sie Auge und Herz aller erfreuen, die in der Stille Tröstung und Ermutigung suchen.

Praxis statt Plagerei

Wie viele Schüler kenne ich, die sich mit dem Gymnasium abplagen. Ihre Eltern wollen „nur das Beste“ und sehen dies allein in Matura und Studium.

Zugleich gibt es zahlreiche Betriebe, die größte Mühe haben, interessierte und willige Lehrlinge zu finden.

Nichts gegen akademische Bildung, mehr Zukunft hat heute jedoch sicher das Handwerk. Meine Brüder haben als Tapezierer- und Tischler- und Bühnenmeister nachhaltig Großartiges in diese Welt gesetzt. Ich hatte für praktische Dinge immer schon eher zwei linke Hände. Ein Hoch auf das Handwerk!

Der Autor ist Dompfarrer zu St. Stephan

dompfarrer@stephansdom.at