Kolumnen

Gurke am Baum: Früher war mehr Lametta

Einen Christbaum im Wohnzimmer aufstellen kann jeder. Unserer steht draußen im Garten, im Tomatenhaus. Aufgeputzt mit goldenen Ketten, roten Christbaumkugeln, Strohsternen.

Wenn mein Vater den Weihnachtsschmuck vom Dachboden holt, kann Melania Trump mit ihrem Winter-Wunderland im Weißen Haus z’amm packen.

Neben unserem Christbaum steht eine Riesen-Kerze sowie ein Schneemann. Letzterer ist aus Holz, weil es bei 15 Grad Plus selten schneit. Auch nicht, wenn sich alle weiße Weihnachten wünschen.

Jedenfalls wage ich zu behaupten, dass es nirgends ein Tomatenhaus gibt, das so herausgeputzt ist wie unseres. Kronos, der griechische Ernte-Gott, wäre hellauf begeistert.

Aber mein Vater ist mit seiner diesjährigen Weihnachtsdeko unzufrieden. Weil die Solar-Lichterkette kaputt ist und er weit und breit keinen Ersatz dafür gefunden hat. Er war in allen Bauhäusern. Alle Ketten nur mit Stecker, als wären Steckdosen im Tomatenhaus das selbstverständlichste der Welt.

Jetzt steht er ohne funktionierender Solar-Lichterkette da. Entsprechend finster ist das Tomatenhaus und die Miene meines Vaters.

Zugegeben, ein Tomatenhaus ohne Festtagsbeleuchtung ist ein Erste-Welt-Problem.

Meine Mutter geht sogar so weit zu sagen, dass es gar kein Problem ist. Sie findet zudem, dass wir schon genug Weihnachtsdeko haben, ergo keine zusätzliche kaufen sollten.

Damit hat sie vollumfänglich recht.

Ich beschließe, die Produktion von Christbaumschmuck selbst in die Hand zu nehmen. Recherchiere, finde im Internet eine Häkelanleitung für Weihnachtsgurken. Wie gemacht für das Gewächshaus. Muss ich haben. Sofort! Ich eile ins Geschäft, kaufe grüne Wolle und goldenes Garn, dazu Watte zum Ausstopfen. In den USA hat die „Christmas Pickle“ am Baum Tradition. Wer sie als Erstes findet, darf das erste Geschenk öffnen, erkläre ich meinen Vater.

Der hält es mit Loriot: „Früher war einfach mehr Lametta.“