Kolumnen

Genuss ändert sich, aber der geteilte Teller gehört wieder her

Nichts ist besser als ein Porzellan, das sich in drei Sektoren teilt – einfach zu tragen, geringer Platzverbrauch und doch keine Vermischung von frisch Paniertem und Salatessig. Der geteilte Teller war die Spitze der Evolution. Diese Krönung des Erfindergeists kam irgendwann aus der Mode, weil sie dem ästhetischen Anspruch nicht mehr genügte.

Damit kann der geteilte Teller als Metapher gesehen werden. Vieles erlitt ein ähnliches Schicksal: Platzteller etwa. Russische Eier und Schinkenrollen. Kaviar. Alle kulinarischen Ikonen, alle vom Zeitgeist aufgefressen. Wieso?

Weil sich die Idee von Genuss verändert, sagen die Moosbrugger-Brüder – der eine Top-Hotelier, der andere Top-Winzer. Im Gedankenaustausch, dem Kollegin Ingrid Teufl beiwohnte, tauchen sie in die jüngere Genuss-Geschichte, von der Nachkriegsvöllerei über die exotischen Gerichte der 1980er-Jahre bis zum neuen Reichtum: Heute könne man sich leisten, täglich Sport zu treiben und vegan zu leben. Wer halt will.

In dieser Entwicklung gibt es auch Rückkehrer (wie oft war etwa Lachs als Genuss-Rufzeichen schon in und wieder out). Eine Renaissance des geteilten Tellers ist eher nicht in Sicht, noch bewegen wir uns davon sogar weg. Oder, wie die Süddeutsche Zeitung gerade schrieb: Seit einiger Zeit heißen urbane Wirtshäuser nicht mehr Wirtshäuser, sondern zum Beispiel „Eatery“. (...) Auf den Tellern sind gern Blüten und Blütenblätter verstreut.

Auf geteilten Tellern müsste man sie in einem Sektor häufen. Aber das würde ihnen den Gatschtod ersparen.

axel.halbhuber@kurier.at