Kolumnen

Fleischeslust

Da kommen die Schnecken gerade zur rechten Zeit angekrochen. In katholischen Regionen war es verboten, in der Fastenzeit Fleisch zu verzehren. Doch Mönche waren erfinderisch. Für die Kirche zählten Schnecken, weil sie kein Blut haben, nicht als Fleisch.

Und daher kultivierten die Mönche die Schneckenzucht in den Klostergärten. 1862 schrieb der Schriftsteller Carl Julius Weber in seinen Reisebriefen: "Ich habe in Wien zur Fastenzeit mein Fleisch gekreuzigt mit Hausen, Schlampeten, Makkaroni und den allseits beliebten Schnecken."

In Wien wurden damals mehr Schnecken verspeist als irgendwo auf der Welt. Die Lust auf Schnecken neu zu wecken, hat sich Andreas Gugumuck zur Aufgabe gemacht. Er züchtet in der Nähe von Wien rund 300.000 Schnecken pro Jahr. "Schnecken haben eine lange Tradition bei uns. Sie galten als Delikatesse und hatten im Habsburger Reich Hochkonjunktur, besonders zur Fastenzeit."

Seltene Exemplare von Schnecken sind im Naturhistorischen Museum in Wien zu finden. Die Sammlung geht auf Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen zurück, der sie täglich besuchte. Der Ehemann von Maria Theresia erstand 1748 von dem Florentiner Gelehrten Johann Ritter von Baillou die grandiose Naturaliensammlung mit 30.000 Objekten.

Die Kollektion war bereits nach wissenschaftlichen Kriterien geordnet, was zur damaligen Zeit eine Besonderheit war. 1778 wurde ein lateinisches und deutsches Verzeichnis der Schnecken erstellt. Nichts war ihm zu teuer, um sie immer wieder zu erweitern.

Für ein Exemplar, der damals als Rarität geltenden "Wendeltreppe-Schnecke", soll er die enorme Summe von 4.000 Gulden bezahlt haben. Das entsprach einem Jahresgehalt eines seiner höchsten Beamten.

Heute kostet diese Schneckenart weniger als einen Euro. In Schnecken zu investieren, ist somit kein guter Rat. Aber Schnecken zu genießen, sehr wohl: sie sind jetzt in der Fastenzeit auf vielen Speisekarten zu finden.