Kolumnen

Fabelhafte Welt: Im Disneyland für Zwangsneurotiker

Warum muss eigentlich immer alles so eskalieren? Hätte ich für jedes Mal, dass ich mir diese Frage gestellt habe, zehn Euro bekommen, gäbe es diese Kolumne nicht. Stattdessen würde ich von den Mieteinnahmen meines eigenen Zinshauses leben. Früher fragte ich mich das meistens, wenn ich mit einem Bombenkater im Bett lag, weil aus einer Verabredung mit Freundinnen nicht die zwei Spritzer geworden waren, die wir geplant hatten, sondern eine mehrtägige Strawanzerei. Manchmal aber auch, wenn ein Gspusi in Selbstmorddrohungen endete. Wenn ich am Monatszehnten schon pleite war oder ein IKEA-Besuch in Schreiduelle mit der Begleitung mündete, dass man einander hasste. Heute jedoch stelle ich mir diese Frage kraftlos mit einem Ganzkörpermuskelkater am Boden sitzend. Dabei begann alles so harmlos, als ich vor zwei Wochen beschloss, das Gefrierfach abzutauen. Dazu war allerdings eine Kochorgie biblischen Ausmaßes vonnöten, infolge derer ich auch gleich den Kühlschrank leerte und diesen grundreinigte. Damit fertig erschien mir der Rest der Küche plötzlich grauslich, weswegen ich die Küchenschränke ausräumte und sowohl innen als auch außen und vor allem oben (!) säuberte. Als das getan war, störten mich die Hundepfotenabdrücke an der Wand, doch die zu radieren funktionierte nicht, weswegen ich die Küche ausmalte und weil ich schon dabei war, auch den Gang. Daraufhin war die Wohnung wunderschön, nur in Schrankraum und Abstellkammerl herrschte Chaos, was am Ende dazu führte, dass ich de facto unseren gesamten Besitz im Wohnzimmer auftürmte, alle Regale durchputzte, neue Aufbewahrungslösungen baute und sogar den Christbaumschmuck in seinen Boxen sortierte. Mein Urlaub ist nun vorbei, dafür leben wir in einem Disneyland für Zwangsneurotiker. Und wieder frage ich mich: Warum muss  immer alles so eskalieren?

vea.kaiser@kurier.at