Fabelhafte Welt: Wie kann es sein, dass die Franzosen nicht das fetteste Volk der Welt sind?
Von Vea Kaiser
Häufig werde ich gefragt, warum in meinen Büchern das Essen so eine prominente Rolle spiele. Ja warum denn nicht? Wir alle essen (hoffentlich) täglich, zudem ist Essen Kultur. Man lernt beispielsweise die Eigenheiten und Essenz einer Region viel besser in ihren Gaststätten kennen, als durch das Abklappern diverser Sehenswürdigkeiten. Dementsprechend irritiert mich seit Jahren, dass ein großer Teil der Gäste im neapolitanischen Ristorante meines Schwiegervaters in der Wiener Innenstadt aus Italien kommt. Würden Sie auf die Idee kommen, in Kopenhagen ein Schnitzel zu essen?
Als der Dottore und ich neulich in Paris waren, planten wir jedenfalls ein ausgiebiges Sightseeingprogramm aus Brasserien, Boulangerien und Bistros. Abermals fragte ich mich: Wie kann es sein, dass die Franzosen nicht das fetteste Volk der Welt sind? Baguette ohne Ende, Pain au Chocolat in der Früh, täglich drei Gänge zu Mittag, die im Wesentlichen aus Crème fraîche bestehen, dazu Wein, ehe kurz darauf die Aperitif-Zeit anbricht, die der nächsten Völlerei vorhergeht. Und dazwischen köstliche Süßspeisen.
Wären die französischen Toiletten nicht die unelegantesten Orte dieses eleganten Landes, hätte ich gelauscht, ob im einstigen Gallien das altrömische Ritual des Gaumenkitzelns weiterlebt. Denn nach drei Tagen in Paris war mir furchtbar übel. Dem Dottore Amore auch. Innigst sehnten wir uns nach einer unkomplizierten Bella Pasta – ohne tierische Fette. Und so knickten wir ein. Unter dem Vorwand, einem Kindheitsfreund meines Schwiegervaters unsere Aufwartung zu machen, der in La Madeleine in einem neapolitanischen Restaurant kocht, gingen wir also in Paris ins Ristorante. Unnötig zu erwähnen, dass das Lokal zu zwei Dritteln mit Italienern gefüllt war.
Wir sahen ein: Egal, wie weltoffen der Geist auch sein mag, der Magen ist es nicht zwangsläufig auch.
vea.kaiser@kurier.at