Kolumnen

Fabelhafte Welt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ...

Eine der treffendsten Beobachtungen von Oscar Wilde lautet: „Alle Frauen werden wie ihre Mütter, das ist ihre Tragödie. Kein Mann wird wie seine Mutter, das ist seine Tragödie.“ Mir könnte weit Schlimmeres geschehen, als wie meine Mutter zu werden. Meine Mutter ist eine fesche, lustige, energiestrotzende und überaus verhaltenskreative Frau – doch einen Defekt hat sie. Wenn wir früher, als mein Bruder und ich noch Kinder waren, in den Urlaub fuhren, drehten wir spätestens vor der Autobahnauffahrt um, weil sich meine Mutter sorgte, ob sie den Herd ausgeschaltet, die Kerzen ausgeblasen und/oder das Bügeleisen ausgesteckt hatte. Noch bevor ich eingeschult wurde, fasste ich den Vorsatz, NIEMALS SO ZU WERDEN. Die Autoren der Schöpfungsgeschichte vergaßen allerdings etwas Wichtiges zu erwähnen: Adam und Eva wurden nicht nur aus dem Paradies verbannt, Eva bekam zur Strafe auch die ewige Angst eingepflanzt, ob sie den Herd ausgeschaltet hat. Diese Ursorge gab sie an ihre Tochter weiter und diese an ihre und so also auch meine Mutter an mich. Wie viele Wochen meines Lebens verschwendete ich darauf, umzudrehen und zuhause zu kontrollieren, ob das Glätteisen aus ist? Doch es ist nie zu spät, der eigenen Tragödie entgegenzuwirken. Und so zwinge ich mich seit einiger Zeit, nicht mehr zurückzugehen, woraufhin ich jedoch bis zu meiner Rückkehr schweißüberströmt Panikattacken schiebe, ob unsere Wohnung explodiert, weil ich die Kaffeekanne auf dem Ofen vergessen habe. Vor dem herannahenden Urlaub schrieb ich nun eine Check-Liste. Sie ist zwei Seiten lang und hängt an der Haustür. Mein Dottore Amore und seine süditalienische Grundentspannung halten mich deshalb für völlig verrückt. Ich erklärte ihm: „Vertrauen ist gut, Kontrolle  besser.“ Genau denselben Satz, den meine Mutter bei jedem Umdrehen zu uns sagte.

vea.kaiser@kurier.at