Fabelhafte Welt: Verständnisprobleme
Von Vea Kaiser
Pfingsten fasziniert mich, seit ich denken kann. Man stelle sich vor, man wird von einer Flammenzunge befallen und beherrscht alle Sprachen der Welt. Andere Kinder träumten davon, fliegen zu können oder über eine Geheimwaffe zu verfügen. Ich von der Superkraft, alle Sprachen der Welt zu sprechen. Bis vor ein paar Jahren ging meinen Reisen der Versuch voraus, mir Grundzüge der im Zielland gesprochenen Sprache anzueignen. Davon blieben leider nur zwei Regalmeter Sprachführer. Sprachen faszinieren mich und wenig erfreut mich so sehr wie ein gutes Wortspiel oder ein Wortwitz.
Mit Sprache kann man jedoch auch Schindluder treiben: z. B. indem man unnötigerweise Englisch und Deutsch vermischt, um über Corona zu sprechen. Ich kriege Zahnschmerzen, wenn ich in Interviews höre: „rasch ein Containment vornehmen“, „wenn das Virus weiterspreadet“, „die Efficiency des Social Distancing“, „wichtig, Contacts zu tracen“ – meist auch noch falsch ausgesprochen. Natürlich, Sprachen verändern sich. Und es ist völlig normal bis wunderbar, dass Fremdwörter in eine Sprache Eingang finden, sogar wichtig, um Neues zu bezeichnen wie einst das Trottoir, den Kaffee oder nun das Homeoffice. Problematisch wird es jedoch, wenn dies Ausmaße annimmt, die zu Verständnisproblemen führen.
Das Pfingstwunder erzählt davon, wie fantastisch es ist, einander zu verstehen. Wie verheerend das Gegenteil ist, berichtet eine andere Bibelgeschichte: der Turmbau zu Babel. Für diesen straft Gott die Menschheit nicht mit Gewalt oder Krieg, sondern mit der Erfindung verschiedener Sprachen und der damit einhergehenden Unmöglichkeit zusammenzuarbeiten. Verdenglischung macht diese Krise weder leichter noch lustiger. Das bleibt Aufgabe der Wortwitze, und seien sie noch so deppert wie: „Was macht eine Indianerin mit Verdacht auf Corona? Sie geht in Squawrantäne.“
vea.kaiser@kurier.at