Kolumnen

Fabelhafte Welt: Mein Mann, der Romantiker

Manchmal, wenn mein Dottore Amore und ich auf dem Sofa kuscheln, spricht er in Honigzungen: „Ich wünschte, ich hätte dich mit fünfzehn kennengelernt. Ich hätte mich sofort verliebt, dich nie wieder gehen gelassen, und wir hätten so viel mehr Zeit zusammen gehabt.“ Mein Mann ist der Romantiker, ich besitze den Werkzeugkoffer. Natürlich schmelze ich bei solchen Sätzen dahin – zumindest genug, um den Moment nicht durch Widerspruch zu ruinieren. Als er fünfzehn war, war ich in der Volksschule. Eine Liebesbeziehung hätte ihm große Probleme beschert. Um jedoch das Gedankenspiel fortzuspinnen: Selbst wenn wir beide fünfzehn gewesen wären, hätte ich mich nie in ihn verliebt. Das weiß ich, seit wir zusammen die Schulbank drücken. Um den Hund babyfit zu machen, nehmen wir nämlich Unterricht bei einer fantastischen Hundetrainerin. Das Wort Hundetraining ist übrigens irreführend: nicht der Hund wird trainiert, sondern seine Menschen, um mit dem Hund zu Hause zu arbeiten. Ich verehre unsere Hundetrainerin, sie ist auf dem neuesten Stand der Verhaltensforschung und erklärt verständlich wie hervorragend. Weswegen es mich zur Weißglut treibt, dass, während ich in Habtachtstellung auf dem Trainingsfeld stehe und lausche, mein Mann auf einem Campingsessel lümmelt und zwischendurch Handy spielt. Muss er eine Übung ausführen, erhebt er sich widerwillig, anstatt wie ich bereitwillig und konzentriert mitzuarbeiten. Dazu passt er auch nicht durchgehend auf, weswegen ich für ihn im Auto alles wiederholen muss. Zu Hause übe ich jeden Tag mit dem Hund, meinen Mann muss ich dazu treten. Und wenn ich nicht hinschaue, dann behauptet er, schon fertig zu sein. Nein, es ist gut, dass er und ich uns nicht mit fünfzehn kennenlernten. Niemals hätte ich ihn abschreiben lassen oder seine Hausübungen gemacht. Egal, wie romantisch er mich angesäuselt hätte. Bildung vor Buben!

vea.kaiser@kurier.at