Fabelhafte Welt: Vatertag und der Wettergott
Von Vea Kaiser
Vea Kaiser über Grillerei
Auf den
Vatertag habe ich mich sehr gefreut, denn mein Onkel und mein Vater wollten ihre auf einem Grillkurs erlernten Fähigkeiten demonstrieren, zum Wohle unserer Bäuche. Sie haben studiert, wann Grillgut Aufmerksamkeit braucht und wann Ruhe, wie ihm weder zu heiß noch zu kalt wird und man es fachgerecht mit Ölen und Salzen massiert. Seither benehmen sie sich wie Priester vom Kult der Holzkohle. Wir Zivilisten sind hingegen ausgeschlossen von den Mysterien des glühenden Rostes. Meine Tante bekam sogar Schimpfer, weil sie es gewagt hatte, das Rinderfilet im Kühlschrank aufzubewahren: Wie konnte sie nur? Der Grillakt schließlich wurde mit heiligem Ernst begangen. Zangen, Wender, Messer, Thermometer und sonstigen Requisiten zur kultisch korrekten Wandlung von roh in gegrillt lagen säuberlich geputzt bereit, und die Tafel der Uneingeweihten wurde abseits aufgebaut, damit unser Geschwätz nicht die Konzentration des auf die Sekunde geplanten Aktes störte. Es war Mittag, wir saßen im Garten und warteten auf die Speisung, als sich der Himmel verdunkelte. Donner erschallte. „Sollen wir reingehen?“, fragten wir, doch unsere Grillmeister meinten: „Nein! Es wird nicht regnen, wir grillen!“ Ich konnte diese Logik gut verstehen. In der Antike war Grillen das Zentrum eines religiösen Festes, denn man glaubte, die olympischen Götter würden von den verbrannten, nicht genießbaren Teilen der Opfertiere mild gestimmt. Wir blickten nervös nach oben, ob unser Grillopfer den Wettergott beeindruckte. Und tatsächlich! Die Front schien abzudrehen. Der Himmel wurde heller und just in jenem Moment, als feierlich verkündet wurde, dass das Fleisch zum Verzehr bereit sei, ergoss sich ein Platzregen auf unsere Häupter. Wir eilten hinein und lernten: Egal wie ernst man eine Grillerei betreibt, die Götter interessiert es nicht mehr.
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