Kolumnen

Fabelhafte Welt: Unser papierener Hochzeitstag

Unlängst feierten der Dottore Amore und ich unseren papierenen Hochzeitstag. Wenngleich wir uns lieber haben denn je, häufen sich die „Diskussionen“ zu zwei Themen, die mit Papier zu tun haben: seinem Zigarettenkonsum und der Anzahl der Bücher, die ich herumschleppe, ohne sie zu lesen. Mein Mann ist nikotinabhängig und ich abibliophob. Meine schlimmste Angst ist, keine gute Lektüre dabeizuhaben, wenn ich lesen könnte.
Ich weiß nicht, wie oft ich schon beim Arzt ohne E-Card, dafür mit drei Büchern stand, oder keinen Fahrschein mehr kaufen konnte, weil das „nur mal Schauen“ in der Bahnhofsbuchhandlung eskalierte.
Wann immer ich das Haus verlasse, führe ich genug Lektürematerial mit, um z. B. in einem stecken gebliebenen Lift bis zu 36 Stunden durchzuhalten. Anders als mein Liebster, der bei unserem Kennenlernen davon sprach, mit dem Rauchen aufhören zu wollen, ließ ich ihn über meinen Zustand nie in Zweifel. Bei einem unserer ersten Dates auf einem Ball zeigte ich ihm meine Zuneigung sogar, indem ich ihm erlaubte, meine Notfall-Reclam-Hefte in der Smoking-Innentasche aufzubewahren. Doch nach zwei Jahren Ehe diskutiert er mit mir, ob ich wirklich zwanzig Bücher für eine Woche Wörthersee oder drei Romane für eine romantische Nacht in der Therme brauche. Auch nicht verstehen will er, dass ich nur mit seinem Auto fahre, wenn im Handschuhfach Lyrikbände für den Fall eines Staus bereitliegen.
So undiszipliniert mein Herzkönig bei der Tschickerei ist, so diszipliniert ist er als Leser und hat stets nur so viel Lektürematerial dabei, wie realistisch Zeit dafür ist. Und deshalb muss ich noch mehr Bücher einpacken, damit auch er im Notfall versorgt ist! Es heißt: In guten wie in schlechten Zeiten. Solang man genug zu lesen dabei hat, können die Zeiten so schlecht gar nicht werden. Und dafür zu sorgen, ist eheliche Pflicht!

vea.kaiser@kurier.at