Kolumnen

Fabelhafte Welt: Silvester im Abstellkammerl

Mit zwanzig brauchte ich ein paar Stunden, um mich von einer rauschenden Silvesterparty zu erholen. Mitte zwanzig einen halben Tag, Ende zwanzig einen ganzen, und heuer, mit zwölfundzwanzig, brauchten der Hund und ich einen Monat, um den Jahreswechsel zu verdauen. Obwohl wir ihn nüchtern alleine zu Hause verbrachten. Der Dottore Amore musste arbeiten – es gibt ja diese Pandemie –, also dachte ich, dass auch der Rest des Landes auf große Feten und Feuerwerke verzichtet.

In Erwartung einer ruhigen Nacht chauffierte ich den Hund nicht aufs Land, aber dann ging um acht die Böllerei los und um neun die Silvesterparty meiner sehr jungen Nachbarin. Ich verstand sie. Für die Jungen war das Jahr besonders zach. Die Freiheiten, die wir Älteren einst hatten, z. B. mit Kurzbekanntschaften zu schmusen oder mit vier haushaltsfremden Personen im Bett aufzuwachen, sind ihnen behördlich verboten.

Ich bat die Nachbarin dennoch, zumindest nicht über meinem Schlafzimmer zu tanzen – ihre Wohnung ist groß genug. Zwischen elf und halb eins saß ich mit dem Hundsi am Boden unseres einzigen fensterlosen Raumes: dem Abstellkammerl. Ans Bügelbrett gelehnt und mit Fetzen als Sitzunterlage. Wir schauten eine stupide Serie und teilten Spaghetti, die nach Putzmittel schmeckten. Eingesperrt mit Hund und Klopapier – welch passendes Silvester!

Um halb zwei gingen wir ins Bett, bereit, bis in bessere Zeiten zu schlafen. Bei der Party oberhalb war die Stimmung hervorragend, das freute mich. Der Tanzbereich war nicht über meinem Bett, das freute mich auch, stattdessen der Karaoke-Platz, das freute mich nicht. Laut, falsch und mit Begeisterung sang mich die Jugend in den Schlaf. Im Nachhinein bin ich stolz, nie daran gedacht zu haben, die Polizei zu rufen. Selbst wenn ich einen Monat zum Regenerieren brauchte: So bieder bin ich glücklicherweise noch nicht.

vea.kaiser@kurier.at