Kolumnen

Fabelhafte Welt: Schule der Mode

In unserem Haus befindet sich eine Fahrschule. Nicht alle Nachbarn sind darüber glücklich. Fahrschulautos sterben gerne ab, brauchen viel Zeit zum Parallel-Einparken, notbremsen vor Verkehrsschildern – als Anrainer sollte man es nie eilig haben. Ich jedoch liebe diese Fahrschule, denn zu Intensivkurszeiten tummeln sich zahlreiche junge Menschen in unserem Hof und man bekommt einen Überblick über die aktuellen Moden. Zurzeit tragen die Damen hochgeschnittene Jeans, bauchfreie Tops, Turnschuhe, die entweder fabrikneu inkl. Preisschild oder völlig zerschlissen sind, und Make-up schichtweise.
 Die Herren bevorzugen Jeans mit weitem Schritt und hautenger Schienbeinpartie, Frisuren, für die sie lange vor dem Spiegel standen, um auszusehen, als hätten sie sich darum keine Gedanken gemacht. Auch modern sind Jogginganzüge, die eindeutig nicht zum Joggen entworfen wurden. Die Pausen verbringt die Zukunft des Landes an Energydrink-Dosen nuckelnd, auf das Smartphone starrend und mit Kopfhörern zugestöpselt. Ich verstehe jetzt, warum bei dieser Generation ohne Tinder nix mehr geht. Das war, als ich in Prä-Smartphone-Zeiten den Führerschein machte, anders. Für uns war die Fahrschule ein einziger Balzplatz. Was jedoch gleich geblieben ist, ist die nervöse Überforderung auf den Gesichtern. Wer fragte sich nie, wie man all diese Regeln einhalten, zeitgleich diese Gas-Kupplungssache bewältigen und noch dazu antizipieren soll, ob einem irgendetwas vor den Kühler läuft?
Wann immer ich Fahrschüler beobachte, ob unter Motorhauben starrend oder panisch ans Lenkrad geklammert, freu ich mich diebisch, diese Zeit hinter mir zu haben. Das ist übrigens mein Rezept für diesen kalten, grauen Ausnahmeherbst: Innehalten, daran denken, was man schon geschafft hat, obwohl man nicht dachte, es zu schaffen, kurz freuen, und frohgemut weiterschreiten.

vea.kaiser@kurier.at