Kolumnen

Fabelhafte Welt: Namen sind nicht Schall und Rauch

Vea Kaiser über den Grant einer Wiener Hausmeisterin

Einer der großen Vorteile unserer Altbauwohnung im Zentrum Wiens ist die echte Wiener Hausmeisterin im Erdgeschoß. Und einer der großen Nachteile unserer Altbauwohnung ist ebenfalls die echte Wiener Hausmeisterin im Erdgeschoß. Der Dottore Amore und die Hausmeisterin verstehen sich prächtig, seit sein Name am Postkasterl steht, oder besser gesagt das „Dr. med. univ.“ davor. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich von der Hausmeisterin auch nur ein Fünkchen Respekt bekäme, nein, was auch immer ich tue weckt ihren Zorn. Muss ich zu einer wichtigen Lesung fliegen, ist sie grantig, weil ich den Rollkoffer über den frisch gewaschenen Boden ziehe. Eile ich zu einem großen Interview, bin ich zu laut im Stiegenhaus. Wenn ich sie grüße, knurrt sie mich an, als hätte ich ihren Hund getreten, welcher mich übrigens wütend verbellt, sobald er mein Parfüm wittert. Und wehe ich wage es, die Hausmeisterin zu stören, weil sich das Haustor nicht öffnen lässt, der Strom, das Wasser oder sonst etwas aus dem Zuständigkeitsbereich der Hausmeisterei nicht funktioniert. Sturm, Hagel und Flut sind nichts gegen den Grant einer Wiener Hausmeisterin. Nach der Kindheit im niederösterreichischen Dorf und der Matura an einem katholischen Privatgymnasium hegte ich die Hoffnung, der Anonymität der Großstadt sei Dank endlich unbeschwert und unbeobachtet so leben zu können, wie ich will. Doch dann kam die Hausmeisterin. Mein Leben lang verachtete ich, wenn sich Menschen durch den Beruf ihrer Ehegatten definieren. Doch mittlerweile kann ich es kaum erwarten, durch die Hochzeit in den Berufsstand der Arztgattinnen und Arztgatten und Ärztinnengatten und Ärztinnengattinnen aufzusteigen. Meinetwegen lasse ich mir sogar Visitenkarten mit Frau Doktor Amore drucken – Hauptsache, die Hausmeisterin sagt ein einziges Mal freundlich Grüß Gott.

vea.kaiser@kurier.at