Fabelhafte Welt: Ich beneide Sisyphos
Von Vea Kaiser
Vea Kaiser über ihre Hochzeitsvorbereitungen
Nach Lesungen in über 300 Städten und einer Weltreise dachte ich ja, ich sei ein Reise-Profi. Ich war stolz, binnen einer Viertelstunde einen angenehmen Flug buchen, das netteste Boutique-Hotel des Zieles und eine Liste angesagter, aber regional typischer Restaurants recherchieren zu können. Viel hielt ich auf meine Fähigkeit, in unter fünf Minuten einen Handgepäckskoffer für eine vierzehntägige Reise zu packen. Für den Freundeskreis fungierte ich als Reisebüro, das sogar die Befüllung des Koffers per
Skype diktierte. Doch der Mythos von Sisyphos lehrt uns: Wer sich zu viel auf seine Kräfte einbildet, dem schicken die Götter eine Herausforderung, die die eigenen Grenzen aufzeigt. Sisyphos bekam einen Stein, der immer, sobald er ihn auf die Spitze eines Berges gerollt hat, wieder hinabrollt.
Mein Stein heißt Heiraten in Italien. Die eigentliche Hochzeit, ein riesiges Fest mit Gästen aus 25 Ländern zu planen, stellt überraschenderweise überhaupt kein Problem dar. Schweißtreibend hingegen ist es, die Reise der Entourage nach Süditalien zu organisieren, oder wie ich es mittlerweile nenne: die Völkerwanderung mit Hund. Der eine Teil unserer Gäste kommt früher, der andere bleibt länger, meine Großeltern fliegen mit Ende 70 zum allerersten Mal in ihrem Leben, der Hund sträubt sich, länger als drei Minuten in einer Transportbox zu verbringen, ist allerdings kooperativer als der zukünftige Schwager, der sich nämlich völlig weigert, ein Flugzeug zu besteigen. Ein Brautkleid zu verschiffen, ist ein logistischer Supergau, mein Bräutigam weiß noch gar nicht, wann er in der Arbeit abkömmlich ist, und sollte die AUA streiken, fällt die ganze Hochzeit ins Mittelmeer. Sisyphos schaffte seinen Stein zumindest auf den Berg hinauf. Wenn ich unsere Herde den Stiefel hinunter bringe, dann bin ich schon wunschlos glücklich.
vea.kaiser@kurier.at