Ein Bild, wie eine in Öl gegossene Beleidigung
Von Simone Hoepke
Essen bei Freunden. Der Tisch biegt sich, alle reden durcheinander. Ich kann keinem Gespräch folgen. Zudem entgleisen mir die Gesichtszüge, was das Gesamtbild nicht gerade verbessert.
Mit offenem Mund starre ich auf das Bild über der Wohnzimmercouch. Ein Porträt der Gastgeber. Oder besser gesagt, eine in Öl gegossene Beleidigung. Ohne dem Maler zu nahetreten zu wollen: Die beiden Gestalten auf dem Gemälde schauen aus, als könnten sie ohne jegliche Maskierung an einem Perchtenlauf teilnehmen.
Um etwas Positives zu sagen: Ich bewundere den Künstler für seine Chuzpe, das verbrochene Werk völlig ungeniert aus der Hand zu geben.
Zumindest löst er mit seiner Kunst etwas aus.
Entsetzen.
Obwohl ich weiß, dass es Zeit für eine kleine Notlüge wäre, höre ich mich sagen, dass ich das Bild für museumsreif halte. In Massachusetts gibt es einen Antiquitätenhändler, der sich genau auf diese Art von Kunst spezialisiert hat – mit seinem „Museum of Bad Art“. Dort zeigt er Werke, die etwas von einem Autounfall haben. Man findet sie furchtbar, muss aber trotzdem hinschauen.
An das Museum kann er das Teil nicht spenden, bedauert der Gastgeber. Es handelt sich um ein Geschenk der Schwiegermutter. Selbst gemalt.
Blöd gelaufen.
Naja. Schönheit liegt in den Augen des Betrachters.
Wir haben unserem Onkel ein Bild geschenkt. Erst war er begeistert, dann hat er es aus dem Geschenkpapier ausgewickelt. Verstört geschaut, es voller Erwartung umgedreht und noch verstörter geschaut. Er hatte gehofft, erst nur die mit Farbspritzern beschmutzte Rückseite gesehen zu haben.
Aber das streitet er bis heute ab. Als Demonstration seiner Kunstaffinität hat er jetzt mit einem Klebestreifen eine Banane an seinem Kühlschrank festgeklebt.
Leider heißt mein Onkel nicht Maurizio Cattelan. Der hat für diese „Installationsidee“ gerade mehr als 100.000 Euro kassiert.