Kolumnen

Der Schein trügt. Ameisen sind nicht zwangsläufig Workaholics.

Ohne meine Oma wäre ich heute noch in der Volksschule. Alljährlich Sitzengeblieben wegen eines Flecks in Handarbeiten. Sie hat mich vor dieser Endlosschleife bewahrt, indem sie alles aufgetrennt hat, was ich im Strickunterricht verbrochen habe.

Ich habe ein Handarbeitstrauma.

An den Kisten voller Strick- und Nähwaren, die australische Hilfsorganisationen derzeit geliefert bekommen, bin ich unschuldig. Auch, weil ich vom Aufruf, für verletzte Koalas und Kängurus in Australien Fäustlinge und Wollbeutel zu stricken und nähen, erst erfahren habe, als es zu spät war. Also erst, als Hilfsorganisationen an Tierfreunde appelliert haben, die Stricknadeln fallen zu lassen. Weil Tiere mit Brandverletzungen sterile Verbände brauchen und keine Wolle. Außerdem können sich Koalas mit Fäustlingen schlecht auf Bäumen halten.

Während in Australien der Busch brennt, werden in Brandenburg 90 Hektar Wald gerodet. Für das Tesla-Werk. E-Autos wachsen nicht auf Bäumen, deswegen werden selbige jetzt gerodet und auch die Ameisenhaufen unter ihnen delogiert.

Ameisen tun übrigens nur so, als würden sie den ganzen Tag um die Wette rennen. Mit Riesenlasten auf dem Buckel. Der Schein trügt, hat der Forscher Daniel Charbonneau herausgefunden. Nicht alle sind so fleißig.

40 Prozent eines Ameisenvolkes tun den ganzen Tag nix. Außer faul herumsitzen und fressen (weswegen sie laut neuesten Erkenntnissen auch ein dickeres Hinterteil haben als ihre Kollegen).

Die Studie kratzt am Workaholic-Image der Tiere und legt den Schluss nahe, dass es in einem Ameisenhaufen nicht anders zugeht, als in großen Unternehmen oder Behörden. Die einen tun möglichst publikumswirksam so, als würden sie unter der Last der Arbeit zusammenbrechen, andere tun möglichst unauffällig gar nichts.

Ich war einmal bei der UNO in New York. Ein Gebäude mit 39 Stockwerken, Menschen aus der ganzen Welt.

Hab’ einen Mitarbeiter gefragt, wie viele Leute hier arbeiten. Achselzucken. „Angeblich jeder Zweite.“