Kolumnen

Der Elefant im Raum

Der „elephant in the room“-Anglizismus bezeichnet ein offensichtliches Problem, das zwar mitten im Raum steht, aber dennoch von den Anwesenden nicht angesprochen wird. Oder werden kann. „kitty in the room“ wäre eine deutlich süßere Metapher, „snake in the room“ ziemlich beängstigend und „fish in the room“ einfach nur absurd.

Nehmen wir mal an, der Vorname unseres Elefanten lautet „Macht“, der Nachname „Missbrauch“. Und er steht im politischen Raum herum. Und wir tun so, als würden wir ihn nicht sehen. Warum? Ratlosigkeit? Ohnmacht? Kurzsichtigkeit? Überforderung? Wir nehmen im großen System (und nein, Politik ist kein göttliches Prinzip) so manches hin, was wir in unserem kleinen Leben eher nicht durchgehen lassen würden. Da können wir nämlich durchaus angemessen und vernünftig reagieren: Wenn Ihr Kindermädchen zum Beispiel mit Ihrem Laptop statt mit Ihrem Kind spazieren geht, würden Sie es kündigen. Wenn Ihnen der Wurstverkäufer statt der gewünschten 20 dag frischer Extrawurst drei alte verranzte Wurschtplattln hinknallt, würden Sie ihm den Vogel zeigen. Wieso ist uns dieser natürliche und gesunde Instinkt bei einigen Politiker*innen augenscheinlich verloren gegangen? (Oder bin ich die Einzige, die sich regelmäßig fragt: “Wieso dürfen die das?“)

Was wir im Laufe unseres Lebens zur Genüge lernen: Wie man sich anpasst. Was wir vielleicht nicht gut genug lernen: Wie man sich widersetzt. Am besten gewaltfrei und da, wo es Sinn macht. Alter Wurst sollte man sich durchaus widersetzen, bei Regen hingegen macht das wenig Sinn. „Es regnet, empört euch!“ zu rufen, wäre deppert. Ein Volksbegehren gegen die Schwerkraft auch. Aber bei korrupten und/oder inkompetenten Politiker*innen gäbe es doch durchaus differenzierten Reaktionsspielraum. Weil’s eben nicht Wurscht ist!