Darf man glücklich sein in einer unglücklichen Welt?
von Nadja Maleh
Das frage mich dieser Tage: darf ich glücklich sein in einer unglücklichen Welt? Darf ich? Oder muss ich vielleicht sogar? Kann ich anderen nicht vielleicht sogar noch besser helfen, wenn ich in meiner eigenen Kraft bin? Kann mein tiefes Vertrauen andere mittragen? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich lache oder Menschen zum Lachen bringe, während andere weinen? Kann ich in mir ruhen und gleichzeitig voll Mitgefühl für andere sein? Darf man sich ob der Weltentragik zornig und überfordert fühlen und dennoch zutiefst dankbar für das eigene Leben sein? Kann ich innen still bleiben und außen laut werden? Für Frieden, für Gleichheit, für Menschenrechte. Darf ich mich über die große weltweite Hilfsbereitschaft für die Ukraine unglaublich freuen und gleichzeitig traurig und wütend, sein, dass einige Politiker Flüchtende offenbar nicht gleichbehandeln, sondern je nach Pass und Hautfarbe in „helfenswert“ oder eben „nicht helfenswert“ einteilen. Wohin mit all meinen Gefühlen? Darf ich bitte ausflippen, wenn ich in den News höre, dass Aufrüstung die Lösung sein soll (hat ja bis dato ursuper funktioniert, vom Faustkeil bis zur Bombe – eine Erfolgsgeschichte, die unbedingt verlängert werden sollte. Ironie off.) Soll ich alles tun, was ich tun kann, um die Welt ein Stückchen besser zu machen? Habe ich als erwachsener Mensch verdammt noch einmal die Aufgabe, für Frieden in mir selbst zu sorgen, in meinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen?! Müssen wir alle Feminist:innen und Pazifist:innen sein in dieser patriarchalisch-strukturierten Welt? Darf ich unglücklich sein, dass die Welt unglücklich ist und mich trotzdem immer wieder für mein eigenes Glück entscheiden? Ich denke und hoffe: JA.
Ist Krieg eine Antwort auf irgendetwas? NEIN.
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