Kolumnen

Chaos de Luxe: Zoff aus Hingabe

Polly Adler über Helicopter-Männer und streitbare Eltern

Im August feiern meine Eltern ihren 55. Hochzeitstag. Sie streiten noch immer, dass die Fetzen fliegen. Was beruhigend ist. Denn die Eheforscher finden, dass Dauer-Harmonie den langsamen Erstickungstod jeder Beziehung bedeuten. Natürlich sind immer Winzigkeiten der Auslöser. Aber erst wenn es um nichts geht, scheint Zoff so richtig Spaß zu machen. Dass der Vater bei 30 Grad in der prallen Sonne Tennis spielen muss, weil er in seinem Jugendwahn (er ist 77!) nicht klein beigeben kann. Dass die Mutter es sich auf ihren Reisen noch immer nicht nehmen lässt, Lebensmittel nach Hause zu karren, die es längst bequem bei uns im Supermarkt zu kaufen gäbe. Höhepunkt war ein lebender Hummer, den sie aus Island in einer mit Wasser gefüllten Tiefkühltasche durch den Zoll brachte. Die Mutter reist viel; dem Vater ist das höchste Glück, die Grenzen seines Gartens nicht verlassen zu müssen. Sie lassen sich. Luft zum Atmen. Vielleicht ist ja auch schon das ihr Geheimnis. Ich habe Freundinnen, die bei unseren Treffen von ihren Helikopter-Männern im Viertelstundentakt antelefoniert werden – und zwar nicht, weil eine grüne Mamba am Balkon lauert, sondern um Mitteilung zu machen, dass der Himmel grau ist, sie ein Wurstbrot gegessen haben oder wissen wollen, wo das Hemd Soundso ist. Mucho betreuungsintensiv. Da ist mein alter Herr wesentlich cooler. Er ist autonom, wenn die Seinige durch die Welt brettert. Wie geht es der Mama? – Ich denke gut, es kommen regelmäßig Visa-Abrechnungen. Unlängst klappte er beim Zahlen im Restaurant die Geldbörse auf. Ein Foto meiner Mutter im zarten Alter von 18 war zu sehen, knapp bevor ich mich auf den Weg machte. Fetzige Liza-Minnelli-Frisur, kecker Blick. Auf der Hinterseite des Fotos hatte sie geschrieben: „Bin gespannt, wie lange du dieses Foto noch mit dir herumschleppst.“ Ich würde sagen:  Der Pessimismus hat sich ausgezahlt, Mama!

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