Chaos de Luxe: Toxisch Lieben
Von Polly Adler
Sie fröstelte trotz der
Raumwärme. „Er will, dass wir auf einer Insel leben ...“, sagte E. „Auf welchem Breitengrad?“ – „Einer Insel der Zweisamkeit – nur er und ich. Sonst brauchen wir niemanden, findet er.“ – „Klingt irgendwie sehr Psycho.“ – „Ist es auch. Aber er liebt mich. Und ich kann nicht allein sein ...“ Da waren wir schon wieder bei der Mutter aller Fragen gelandet: Was sind Menschen bereit, auf sich zu nehmen, nur um nicht solo zu fliegen? Eine entfernte Bekannte war sogar drei Monate mit einem Zwerg liiert gewesen. Und jetzt kommt's: Der maximal Kleinwüchsige (Zwerg darf man nicht mehr sagen) hatte sie verlassen, weil er „eine Beziehung auf Augenhöhe“ wollte. Ich hatte E seit Monaten aus den Augen verloren. Seitdem sie mit dem neuen Parship-Eddie in der Symbiose verloren gegangen war, waren keine Treffen mehr möglich. Allenfalls ein schnelles Mittagessen. Der Neue verlangte ihre ganze Aufmerksamkeit und Zuwendung. Und biss sukzessive ihr soziales Umfeld weg, inklusive mich. „Zu laut, zu chaotisch, überhaupt nicht in ihrer Mitte ruhend.“ Der unentspannte Spießer hatte ja völlig recht. „Eddie-Baby“, dachte ich mir, „würde ich in meiner Mitte wohlig flach liegen, wäre ich so was von arbeitslos.“ Ich kaufte ihr Stapel von Ratgebern „Schleichendes Gift, toxische Liebe“, „Masken der Niedertracht“, „Mein Leben nach einem Leben mit einem Narziss“, wo tatsächlich in variierter Form das gleiche Beziehungsschema abgehandelt wurde: anfangs charismatischer Verführer, der einen mit Komplimenten, Liebesschwüren und materiellem Tralala zuschüttet, beginnt er das Opfer seiner possessiven Zuwendung in eine Art Geiselhaft zu nehmen. Nirgends ist man einsamer, als in dieser Form von Zweisamkeit. Da gibt es laut Dr. House nur zwei Möglichkeiten: „Eine Trennung mit Tränen und eine Nicht-Trennung mit Tränen.“
Pollys X-Mas-Special: 6. Dezember,
St. Pölten, Bühne im Hof.
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