Chaos de Luxe: Rein in den nächst gelegenen Smoking!
Von Polly Adler
How much, Schatzi?“, zitierte J den Titel eines meiner Lieblingsbücher von H. C. Artmann, als ich ihm die Nummer mit der Struktur schmackhaft machen wollte, „how much von dieser verdammten Struktur kann mein Leben vertragen?“ Er war ein wenig aus der Spur, die Sache mit dem Home Office nagte an seinem „Mojo“, so sein hippiesker Terminus für Lebensenergie. Auch ich vermisste die Türrahmengespräche, die Curry-Ausflüge mit den Kollegen, das Redaktionsgewusel. Nur: Dieses ständige Gejammer nach unserem alten Leben knabberte wiederum an meinem Mojo. „Wenn i mi am Kopf stell', wird's a net besser“, hatte unlängst eine Freundin, die sonst auf Weihnachtsmärkten ihr Geld verdient und eben mit Absagen überhäuft wurde, pragmatisch angemerkt. Ich umarmte ihn seelisch: „Situationselastizität, Baby! Plus Effizienzneurotik. Bastle dir für jeden Tag einen Plan, stell den Wecker, mach' dein Bett und dann dich fesch. So wird das nix.“ Mein tadelnder Blick wanderte über seinen Pyjama, der Zwischenkriegscharme verströmte. Ich erzählte ihm von der Schriftstellerin Isabel Allende, die sich oft in einem Cocktaildonner-Outfit an ihren Schreibtisch gesetzt hatte, einfach aus Respekt vor dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben: ihr selbst. „Und dann, Teuerster, ganz wichtig: die gute Tat. Und zwar täglich.“ – „Für Charity-Projekte habe ich erst nach der Schneeschmelze wieder die Nerven.“ Seinen Humor hatte er, dem Himmel sei Dank, noch. Tatsächlich befand ich mich ja zunehmend in einer Altersgruppe, in der Humor den größten Sex-Appeal besaß. „Die gute Tat für dein geschundenes Ego! Sei's ein Crèmeschnitterl, eine französische Beziehungskomödie, ein Spaziergang im Prater, ein halbes Flascherl Rosé.“ – „Beginnen wir dein bescheuertes Programm mit letzterem“, grinste er, „aber gib mir noch ein paar Minuten. Ich muss mich davor noch in den nächstgelegenen Smoking werfen.“
„Nymphen in Not“, 11. 10. um 11 Uhr, Wiener Rabenhof. Mit U. Beimpold & P. Morzé
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